Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungslast für Mangelbeseitigungskosten im selbständigen Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag, im selbständigen Beweisverfahren Bauwerksmängel und deren Beseitigungsaufwand festzustellen, erfordert nicht die Angabe konkreter Sanierungsmaßnahmen und der für ihre Durchführung erforderlichen Kosten.

 

Normenkette

ZPO § 485 Abs. 2, § 487 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 20.06.1991; Aktenzeichen 21 OH 2/91)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 20. Juni 1991 – 21 OH 2/91 – dahin ergänzt, daß der Sachverständige K. R. auch die zur Beseitigung der festgestellten Baumängel erforderlichen Bauleistungen und deren Kosten feststellen soll.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 20.000,– DM.

 

Gründe

Die Antragstellerinnen betreiben mit dem am 28. Mai 1991 bei Gericht eingegangenen Antrag das selbständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff ZPO gegen die Antragsgegner.

Die Antragsgegner haben im Auftrag der Antragstellerinnen Fassadenarbeiten an dem Haus N. S. … in B. 6… ausgeführt. Die Antragstellerinnen haben sieben konkrete Mängel vorgetragen und beantragt, ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Mängel und deren Ursachen einzuholen. Außerdem haben sie beantragt, den Sachverständigen zu beauftragen, „die zur Abhilfe notwendigen Bauleistungen einschließlich des dafür anzusetzenden Kostenaufwandes festzustellen”. Letztlich sollte der Sachverständige feststellen, ob weitere Schäden an anderen Teilen der Fassade vorhanden sind. – Mit seinem Beschluß vom 20. Juni 1991 hat das Landgericht die Beweisaufnahme zu den konkret bezeichneten Mängeln und deren Ursachen sowie zu der Frage weiterer Schäden angeordnet. Den weitergehenden Beweisantrag über die zur Abhilfe nötigen Bauleistungen und zu den Kosten der Mängelbeseitigung hat es zurückgewiesen, weil die Antragstellerinnen insoweit nicht im zumutbaren Umfang konkrete Tatsachen, etwa nach Einholung eines Kostenvoranschlags, vorgetragen hätten. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragstellerinnen, mit der sie ihren Beweisantrag zu den gebotenen Abhilfemaßnahmen und deren Kosten weiterverfolgen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 ZPO zulässig und hat auch Erfolg. Das Landgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast eines Antragstellers im selbständigen Beweisverfahren überspannt. Aus der in § 487 Nr. 2 ZPO getroffenen Regelung, wonach der Antrag „die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll”, enthalten muß, kann nicht gefolgert werden, daß sich der Antragsteller vorweg schon anderweit genaue Kenntnisse über die gemäß § 485 Abs. 2 ZPO (n.F.) von einem Sachverständigen zu begutachtenden Einzelheiten verschaffen muß, sofern er sich nicht zur Aufstellung von Behauptungen „ins Blaue hinein” entschließt.

Schon nach der bisherigen Regelung des Beweissicherungsverfahrens waren die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wonach im Zivilprozeß ein Beweisantritt für unsubstantiierte Behauptungen oder offensichtliche Vermutungen als bloßer Beweisermittlungsantrag und „unzulässiger Ausforschungsbeweis” rechtlich unbeachtlich ist (vgl. Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl., vor § 284 Rdn. 5), jedenfalls für die Erwirkung der Begutachtung einer Sache nicht uneingeschränkt anwendbar.

Schon bisher wurde teilweise die Auffassung vertreten, daß die Feststellung des gegenwärtigen Zustands einer Sache (§ 485 Satz 2 ZPO a.F.) nicht die Behauptung eines bestimmten Zustands erfordere (Zöller/Stephan, a.a.O., § 485 Rdn. 5). Da im vorliegenden Falle das seit dem 1. April 1991 geltende Recht anwendbar ist, kann von der Erörterung früherer Streitfragen jedoch abgesehen werden. Jedenfalls nach der neuen Fassung des § 485 Abs. 2 ZPO ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens in dieser Verfahrensart nicht davon abhängig, daß der Antragsteller schon vorbereitend eine detaillierte Feststellung etwa über ein Privatgutachten oder durch Einholung von Kostenangeboten veranlaßt, so daß der gerichtliche Sachverständige dann nur noch die Richtigkeit oder Unrichtigkeit zu bestätigen hätte. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes, wonach der Sachzustand, die Schadensursache und der Beseitigungsaufwand „festgestellt” werden sollen, was insbesondere auch dem Anliegen „der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen” kann, wird die Auslegung nahegelegt, daß hierbei auch dem Ziel einer erstmaligen fachkundigen Ermittlung bestimmter Tatsachen Rechnung getragen werden soll. Nach diesem Gesetzeszusammenhang kann der in § 487 Nr. 2 ZPO vorgeschriebenen „Bezeichnung der Tatsachen” jedenfalls für Anträge auf Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht dieselbe Funktion der Festlegung von Vorbereitungs- und Mitwirkungsobliegenheiten einer Prozeßpartei beigemessen werden, wie das für das zivilprozessuale Streitverfahren aus entsprechenden Regelungen wie § 373 ZPO entnommen wird. Selbstverständlich muß der Begutach...

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