Leitsatz (amtlich)

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ist in der Lage, eine Klausel in den Bedingungen für die Fahrzeugkaskoversicherung, wonach ein Wildschaden über 300 DM der Polizei anzuzeigen ist, dahin zu verstehen, dass sich die Anzeigepflicht auf den Kaskoschaden am versicherten Fahrzeug und nicht auf etwaige Fremdschäden (Wild, Straßenbäume, Leitplanken) bezieht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 17 O 136/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 17 des LG Berlin vom 2.3.2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Der Senat hat die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

Zu den rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung sowie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 30.5.2006 verwiesen. Darin hat der Senat u.a. ausgeführt:

"Die Berufung bietet keine Aussicht auf Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus dem Vertrag über eine Vollkaskoversicherung nicht zu, weil er vorsätzlich die Obliegenheit gem. § 7a III. der Kaskobedingungen verletzt hat. Danach hat der Versicherungsnehmer bei einem unter die Fahrzeugversicherung fallenden Schaden vor der Verwertung oder vor Beginn der Wiederinstandsetzung die Weisung des Versicherers einzuholen, soweit ihm dies billigerweise zugemutet werden kann. Übersteigen ein Entwendungs- oder Brandschaden sowie ein Wildschaden den Betrag von 300 DM, so ist er auch der Polizeibehörde unverzüglich anzuzeigen. Diese Pflicht zur Unfallanzeige hat der Kläger vorsätzlich verletzt. Dies hat zur Folge, dass gem. § 7a VI der Kaskobedingungen i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG Leistungsfreiheit der Beklagten eintritt.

A. Die Klausel über die Anzeigepflicht bei Wildunfällen ist wirksam. § 7a III der hier vereinbarten Kaskobedingungen entspricht der Regelung in § 7 Abs. 3 AKB. Bedenken gegen die wirksame Einbeziehung der Klausel in den Versicherungsvertrag oder gegen die Wirksamkeit bestehen nicht. Es handelt sich weder um eine überraschende Klausel, noch benachteiligt ihr Inhalt den Versicherungsnehmer unangemessen (§§ 305c, 307 BGB n.F.).

B. Die Klausel ist so auszulegen, wie sie ein Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss. Die Regelung ist gerade überschrieben als "Obliegenheit in der Fahrzeugversicherung". Der Wortlaut ist eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Es werden die Arten von Schäden genannt, bei deren Eintritt eine Anzeige an die Polizei zu erfolgen hat. Eine Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdschaden wird gerade nicht vorgenommen.

Soll ein Schaden über die Kaskoversicherung abgewickelt werden, handelt es sich in der Regel um einen Eigenschaden, der dem Versicherungsnehmer entstanden ist. Gerade die Nennung eines Wildschadens im Zusammenhang mit einem Entwendungsschaden oder einem Brandschaden zeigt, dass es bei der genannten Schadenssumme nicht auf einen Fremdschaden ankommt. Denn bei einer Entwendung oder einem Brandschaden wird im Regelfall ausschließlich ein Eigenschaden vorliegen.

Liegt ein Fremdschaden vor, so ist der Versicherungsnehmer bereits bei einer Größenordnung unterhalb von 300 DM unter Umständen verpflichtet, die Polizei zu verständigen und an der Unfallstelle zu warten, um einer Strafbarkeit wegen einer Unfallflucht gem. § 142 StGB zu entgehen. Diese Verhaltenspflichten bedürfen gerade keiner Regelung in Versicherungsbedingungen, weil sie gesetzlich geregelt sind.

Selbst dann, wenn bei einem Fremdschaden die erforderlichen Feststellungen gem. § 142 StGB ohne Hinzuziehung der Polizei getroffen werden können, weil die anderen Unfallbeteiligten und Geschädigten vor Ort sind, würde die Beschränkung auf Fremdschäden in der Klausel über die Hinzuziehung der Polizei keinen Sinn machen. Denn die Klausel soll - für jeden Versicherungsnehmer erkennbar - dem Aufklärungsinteresse des Versicherers dienen. Sind jedoch bei einem Fremdschaden andere Unfallbeteiligte vor Ort und können die notwendigen Feststellungen sofort getroffen werden, so kann dem Sachaufklärungsinteresse des Versicherers auch ohne Hinzuziehung der Polizei Rechnung getragen werden, weil Zeugen zur Verfügung stehen.

Gerade dann, wenn jedoch im Bereich der Kaskoversicherung kein Fremdschaden vorliegt, die Polizei also nicht schon aus diesem Grund verständigt werden muss, und auch - wie hier - Zeugen für das Unfallgeschehen nicht zur Verfügung stehen, will der Versicherer sein Sachaufklärungsinteresse durch die Vereinbarung einer Obliegenheit, der Polizei das Unfallgeschehen unverzüglich anzuzeigen, sichern.

Dass im ersten Rechtszug ein rechtlicher Hinweis durch den Einzelrichter erfolgt ist, der diesem Ergebnis widerspricht, ist für die Auslegung der Klausel ohne Belang. Diesen Fehler hat das LG durch einen weiteren rechtlichen Hinweis korrigiert.

Der Kläger hat diese Obliegenh...

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