Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung an eine juristische Person nach § 185 Nr. 2 ZPO.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 09.06.2010; Aktenzeichen 20 O 223/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 29.6.2010 wird der Beschluss des LG Berlin vom 9.6.2010 teilweise abgeändert:

Die öffentliche Zustellung der Klageschrift vom 30.4.2010 an die Beklagte zu 2. wird bewilligt, § 185 Nr. 2 ZPO.

 

Gründe

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die Zurückweisung des Antrags auf öffentliche Zustellung an die Beklagte zu 1 ist aus den zutreffenden Gründen des am 15.12.2009 zugestellten Beschlusses des LG Berlin vom 9.6.2009 sowie des Nicht-Abhilfe-Beschlusses vom 30.6.2010 zurückzuweisen.

Insoweit sind weder Rechts- noch Ermessensfehler festzustellen.

Ergänzend sei nur bemerkt:

In der Klageschrift vom 30.4.2010 wird als Beklagte zu 1 nicht eine natürliche Person, sondern eine juristische Person, nämlich eine GmbH angegeben.

Aus § 185 Nr. 2 ZPO folgt, dass eine öffentliche Zustellung an eine GmbH als Partei zwingend deren Eintragung im Handelsregister voraussetzt.

2. Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf öffentliche Zustellung an die Beklagte zu 2 richtet, hat sie Erfolg.

a) Gemäß § 185 Nr. 2 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn "bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist".

Mit dieser Vorschrift, die allein auf die Erreichbarkeit unter einer eingetragenen Anschrift abstellt, soll eine - ggü. der öffentlichen Zustellung an natürliche Personen, bei denen der Aufenthaltsort unbekannt sein muss - erleichterte Zustellung an Gesellschaften ermöglicht werden, die außerhalb eines Liquidations- oder Insolvenzverfahrens beseitigt werden; den betroffenen juristischen Personen obliegt es, zur Vermeidung der öffentlichen Zustellung ihre Erreichbarkeit sicherzustellen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 185 Rz. 8b; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 185 Rz. 3).

b) Die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung an die Beklagte zu 2 liegen vor.

aa) Voraussetzung ist zunächst, dass ein Zustellungsversuch an den Vertreter der Gesellschaft unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift nicht möglich war. Dies hat der Antragsteller durch den erfolglosen Versuch der Zustellung des Anwaltsschreibens vom 9.2.2010 unter der eingetragenen Anschrift "P Straße 96, Berlin" belegt.

bb) Dann muss eine Zustellung an eine eingetragene Empfangsperson (Geschäftsführer der GmbH) "unter der im Handelsregister eingetragenen Anschrift" (§ 185 Nr. 2 ZPO) erfolglos versucht worden sein (vgl. dazu auch Zöller, a.a.O., § 185 Rz. 4; Baumbach u.a., ZPO, 68. Aufl. 2010, § 185 Rz. 8).

Auch einen derartigen Zustellungsversuch hat der Antragsteller nachgewiesen durch erfolglosen Versuch der Zustellung des Anwaltsschreibens vom 16.6.2010 an die Anschrift "A 86, Düsseldorf" des lediglich mit Geburtsdatum und dem Wohnort "Düsseldorf" im Handelsregister des AG Charlottenburg unter HRB 119059 B eingetragenen Geschäftsführers der Beklagten zu 2, R H.

Im Streitfall ist im Handelsregister laut Ausdruck vom 10.2.2010 überhaupt keine Anschrift des Geschäftsführers der Beklagten zu 2 angegeben, sondern nur der Ort "Düsseldorf". Unter der letzten Meldeadresse an diesem Ort ist der Zustellungsversuch gescheitert. Auf die Frage, ob dem Geschäftsführer an einem anderen Ort als dem im Handelsregister angegebenen zugestellt werden kann, kommt es nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 185 Nr. 2 ZPO nicht an, der die öffentliche Zustellung an juristische Personen, die sich dem Geschäftsverkehr entziehen erleichtert (vgl. oben).

Wenn das LG auf S. 2 seines Beschlusses vom 30.6.2010 weitere Ermittlungen des Klägers zum derzeitigen Aufenthaltsort des Geschäftsführers der Beklagten zu 2 fordert, wird übersehen, dass nicht die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung an eine natürliche Person nach § 185 Nr. 1 ZPO festzustellen sind, sondern die der öffentlichen Zustellung an eine juristische Person nach § 185 Nr. 2 ZPO.

Der Zustellungsversuch an die berechtigte Empfangsperson einer juristischen Person ist jedoch bereits dann erfolglos geblieben, wenn die Zustellung unter der (im Handelsregister angegebenen) Anschrift scheitert, weil diese nicht oder nicht mehr zutreffend ist (vgl. Zöller, a.a.O., § 185 Rz. 4). Denn der Gläubiger einer juristischen Person, die sich dem Geschäftsverkehr entzieht, soll sich für Zustellungsversuche auf den Inhalt des Handelsregisters beschränken dürfen, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Hier hat der Antragsteller sogar noch eine Auskunft der Staatsanwaltschaft Berlin vom 25.6.20...

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