Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Prüfung, ob einem Verweisungsbeschluss wegen Vorliegens von Willkürlichkeit ausnahmsweise die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu versagen ist, hat keine amtswegige Sachverhaltsermittlung durch das Gericht stattzufinden; es verbleibt auch insofern beim zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz.

2. Die 12 Berliner AG stehen einander zuständigkeitsrechtlich nicht näher als jedwede anderen deutschen AG.

3. An einem eindeutig satzungsmäßig bestimmten Vereinssitz i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt es, wenn sich der Vereinssitz satzungsgemäß in "Berlin" befindet.

4. Zum tatsächlichen Verwaltungssitz eines Vereins i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

 

Tenor

Das AG Forchheim wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Vereinsmitglied der Beklagten. Sie verlangt Ersatz von Aufwendungen, die sie in der Annahme tätigte, sie werde in Folge eines bereits gefassten Beschlusses des Vereinsvorstandes zum Zuchtwart des Vereines gewählt werden, was letztlich nicht der Fall war. Der Beklagte ist in das Vereinsregister, das beim AG Charlottenburg für die gesamte Stadt Berlin geführt wird, eingetragen. In der Satzung des Beklagten ist bestimmt, dass dieser seinen Sitz "in Berlin" nimmt. Tatsächlich unterhält der Beklagte jedoch in Berlin kein Geschäftslokal. Die Verwaltungsentscheidungen des Beklagten werden maßgeblich vom Wohnort des 1. Vorsitzenden aus in S. (Nordrhein-Westfalen) getroffen. Daneben befindet sich - nach einem Hinweis des AG Charlottenburg, dem die Klägerin nicht entgegengetreten ist - die Geschäftsstelle des Beklagten in H. (Bayern). S. liegt im Bezirk des AG Herford; H. im Bezirk des AG Forchheim.

Das zunächst angerufene AG Charlottenburg hat sich nach Anhörung der Parteien und auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 27.6.2007 (Bl. 26 d.A.) für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Forchheim verwiesen. Zur Begründung macht das AG Charlottenburg geltend, der Geschäftssitz der Beklagten liege im Bezirk des AG Forchheim; ein im Bezirk des AG Charlottenburg gelegener Geschäftssitz sei von den Parteien nicht vorgetragen worden. Daraufhin hat sich das AG Forchheim mit Beschluss vom 30.8.2007 (Bl. 33 ff. d.A.) ebenfalls für unzuständig erklärt und dem KG die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung macht das AG Forchheim geltend, der Beschluss des AG Charlottenburg sei unrichtig, da ein - auf das AG Forchheim zielender - Gerichtsstand gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur dann in Betracht komme, wenn es an einem eindeutigen satzungsmäßigen Vereinssitz fehle; Vereinssitz sei vorliegend Berlin, weshalb eines der zwölf Berliner AG örtlich zuständig sei.

II.1. Das KG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich zunächst das AG Charlottenburg und sodann das AG Forchheim mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für unzuständig erklärt haben.

2. Das AG Forchheim ist nach § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO wegen des Verweisungsbeschlusses des AG Charlottenburg örtlich zuständig.

a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO bewirkt ein Verweisungsbeschluss bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichtes und die Zuständigkeit desjenigen Gerichtes, an das verwiesen wird. Diese Bindungswirkung ist, trotz des einschränkenden Wortlautes der Vorschrift, auch von demjenigen Gericht zu beachten, das die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vornimmt (vgl. nur Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36 Rz. 28, m. Rspr. N.).

Anerkannt ist allerdings, dass die Bindungswirkung ausnahmsweise entfällt, wenn die Verweisung auf Willkür beruht (vgl. nur BGH NJW 2003, 3201 [3201]; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist Willkür nicht allein deshalb anzunehmen, weil die Frage der Zuständigkeit - aus Sicht des nach § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufenen, höheren Gerichtes oder aus Sicht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung - unzutreffend beantwortet wurde. Erst bei groben Rechtsfehlern des verweisenden Gericht, die zur Folge haben, dass die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt, ist die Grenze zwischen der fehlerhaften, gleichwohl aber bindenden, und der willkürlichen Entscheidung überschritten (BGH NJW 2002, 3634 [3635]; BGH, NJW-RR 1992, 383 [383]; Greger in Zöller, a.a.O.).

Der Beurteilung, ob ein solcher Fehler vorliegt, ist der Sachverhalt zu Grund zu legen, den die Parteien dem Gericht vortragen (BGH NJW-RR 1995, 702 [702]); die befassten Gerichte sind nicht gehalten, von Amts wegen Ermittlungen zur Feststellung der Zuständigkeit vorzunehmen. Denn der Zivilprozess ist vom Beibringungsgrundsatz geprägt und es ist anerkannt, dass dieser Grundsatz nicht nur für die Feststellung der in der Sache maßgeblichen Tatsachen gilt, sondern auch für diejenigen Tatsachen, die bei der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen von Belang sind (Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, vor § 128 Rz. 12; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2003, vor § 1 ...

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