Leitsatz (amtlich)

1. Die Gründungsgesellschafter einer Fondsgesellschaft haften dem beigetretenen Anleger aus den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne, wenn die zahlreichen, zumindest zum Teil einschlägigen Vorstrafen desjenigen, der auf das Geschäftsgebaren und die Gestaltung des Anlagemodells entscheidenden Einfluss ausübt, in dem bei den Beitrittsverhandlungen verwandten Prospekt nicht angegeben sind.

2. Delegieren mehrere Gründungsgesellschafter die mit den Anlegern zu führenden Beitrittsverhandlungen sowie deren Aufklärung und Information auf einen von ihnen, haften die übrigen Gründungsgesellschafter gem. § 278 Satz 1 BGB für eine schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung desjenigen Gründungsgesellschafters, der die Beitrittsverhandlungen mit den Anlegern auch als Erfüllungsgehilfe der übrigen Gründungsgesellschafter führt. Das gilt auch dann, wenn allein der bei der Aufklärung und Information als Erfüllungsgehilfe der übrigen Gründungsgesellschafter handelnde Gründungsgesellschafter, jedoch keiner der übrigen Gründungsgesellschafter Kenntnis von der zu offenbarenden - den Anlegern aber verschwiegenen - Tatsache hat.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 14 O 436/10)

 

Gründe

I. Der Senat weist die Beklagten darauf hin, dass nach einstimmiger Auffassung die Berufung nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg hat und durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen ist, da auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO vorliegen.

Das LG hat in dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht einen Schadensersatzanspruch der klagenden Partei gegenüber den Beklagten bejaht. Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine Abänderung des Ersturteils aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen rechtfertigen.

1. Die Beklagten zu 1) und 3) haften den klagenden Anlegern aus den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den

§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB an die vorvertraglichen Beziehungen zu dem Anleger an. Sie wird deshalb aufgrund ihres weiter gefassten Haftungsrahmens weder von dem auf den Grundsätzen der culpa in contrahendo beruhenden und lediglich auf die Inanspruchnahme typisierten Vertrauens beruhenden Haftungsregime der Prospekthaftung im engeren Sinne noch von deren spezialgesetzlicher Ausformung in § 13 VerkProspG verdrängt (BGH NZG 2008, 661 Tz. 15; WM 2003, 1718, 1720; Emmerich in MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2007, § 311 Rz. 190; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 311 Rz. 71; Schmidt-Kessel, in: Prütting/Helms/Weinreich, BGB, 5. Aufl. 2010, § 311 Rz. 69). Im Rahmen der Beitrittsverhandlung haftet der Gründungsgesellschafter nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne für die schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten, insbesondere auch für Prospektfehler, wenn der Prospekt wie hier bei den Beitrittsverhandlungen verwandt wurde (BGH, Urt. v. 1.3.2011 - II ZR 16/10, Tz. 7 m.w.N. - juris). Die Haftung wird dabei über § 278 BGB auch auf das Fehlverhalten von Personen erstreckt, die zum Abschluss des Beitrittsvertrages bevollmächtigt sind (BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt:

Die Beklagte zu 1), aber auch die Beklagte zu 3) - unabhängig von ihrer Stellung als Treuhandkommanditistin (BGH, NJW 2006, 2410 Tz. 7) -, waren als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft zur sachlich richtigen und vollständigen Aufklärung verpflichtet. Dieser Verpflichtung sind sie nicht nachgekommen, da der streitgegenständliche Prospekt die Vorstrafen des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1) verschweigt. Es bedarf insoweit keiner abschließenden Entscheidung des Senats, ob Vorstrafen der Gründer, Initiatoren und derjenigen, die hinter dem Unternehmen stehen und auf das Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells entscheidenden Einfluss ausüben, grundsätzlich anzugeben sind. Eine Pflicht zur Angabe im hier zu beurteilenden Einzelfall ergibt sich daraus, dass der Anleger im Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, über alle Umstände, die für seine Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, stets sachlich richtig und vollständig zu unterrichten ist (BGH ZIP 2010, 1132 Tz. 24 m.w.N.).

An einer derart vollständigen Unterrichtung der Anleger fehlte es: Die Vielzahl der - zum Teil auch einschlägigen - strafrechtlichen Verurteilungen des Beklagten zu 2) waren für die Anleger von wesentlicher Bedeutung - oder hätten es zumindest sein können -, da die persönliche Zuverlässigkeit derjenigen, die wie der Beklagte zu 2) auf das Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des Anlagemodells entscheidenden Einfluss ausüben, für die Beurteilung des aus einer etwaigen persönlichen Unzuverlässigkeit erw...

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