Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung über eine Aussetzung der Verhandlung gem. § 148 ZPO liegt im Ermessen des Gerichts. Im Rahmen des gegen eine Verfahrensaussetzung gerichteten Beschwerdeverfahrens ist überprüfbar, ob die tatbestandliche Voraussetzung für eine Aussetzung, nämlich eine Vorgreiflichkeit vorliegt. Im Übrigen darf das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung nur auf einen Verfahrens- oder Ermessensfehler hin überprüfen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 18.07.2006; Aktenzeichen 13 O 263/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Zivilkammer 13 des LG Berlin vom 18.7.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. § 252 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss lässt weder einen Verfahrens- noch einen Ermessensfehler erkennen. Nur insoweit ist eine Nachprüfung des Aussetzungsbeschlusses eröffnet.

Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreites oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts (h.M., z.B. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rz. 7; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 64. Aufl., § 148 Rz. 32, m.w.N.). Das Beschwerdegericht darf die vorinstanzliche Entscheidung nur auf einen Verfahrens- oder Ermessensfehler überprüfen (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 64. Aufl., § 252 Rz. 8; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 252 Rz. 3; LAG Nürnberg NZA-RR 2003, 602; OLG Düsseldorf v. 16.5.1984 - 3 W 26/84, NJW 1985, 1966; OLG München JurBüro 2003, 154).

Der Prüfung des Beschwerdegerichts unterliegt lediglich, ob das Erstgericht die Grenzen des ihm durch § 148 ZPO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bei der Anordnung der Aussetzung überschritten hat. Es kann die angegriffene Entscheidung nur auf etwaigen Missbrauch des Ermessens überprüfen, das heißt darauf, ob sich das Erstgericht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Das Beschwerdegericht ist nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen (LAG Nürnberg NZA-RR 2003, 602; OLG Düsseldorf v. 16.5.1984 - 3 W 26/84, NJW 1985, 1966).

Voll überprüfbar ist dagegen, ob die tatbestandliche Voraussetzung für eine Aussetzung, nämlich eine Vorgreiflichkeit vorliegt. Das LG ist in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass eine Vorgreiflichkeit vorliegt, da nämlich in dem Verfahren 13 O 196/06 darüber zu entscheiden ist, ob das Vertragsverhältnis der Parteien durch eine außerordentliche Kündigung beendet worden ist. Das ist vorgreiflich für die Frage, ob aus dem Vertrag Vergütungsansprüche resultieren. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht die Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht nur in dem Fall, wo der Kläger zunächst obsiegt und im Nachverfahren unterliegt, sondern auch dann, wenn er sogleich mit seiner Klage im Urkundsprozess unterliegt, zumal die Beklagte angekündigt hat, bereits im Urkundsverfahren zur Wirksamkeit der Kündigung vorzutragen.

Das LG hat auch die Grenzen, des ihm zustehenden Ermessens nicht überschritten. In seinem Beschluss setzt es sich mit den von den Parteien vorgetragenen Argumenten und der aktuellen Rechtsprechung und Literatur auseinander. Sachfremde Erwägungen hat es nicht angestellt. Es hat sich vielmehr unter Abwägung aller für und wider eine Aussetzung sprechenden Argumente der aktuellen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 8.1.2004 - III ZR 401/02, NJW-RR 2004, 1000) angeschlossen, der es - in Abkehr von dem lange geltenden Grundsatz, wonach Aussetzung regelmäßig gegen die Natur des Urkundenprozesses widerspricht (OLG Hamm NJW 1976, 246) - jedenfalls dann für zweckmäßig hält, einen Urkundsprozess auszusetzen, wenn andernfalls die Gefahr widersprechender rechtskräftiger Entscheidungen besteht.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Diese obliegt dem Prozessgericht erster Instanz (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 64. Aufl., § 252, Rz. 9; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 252 Rz. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1632079

MDR 2007, 736

NJOZ 2006, 4217

OLGR-Ost 2007, 112

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