Leitsatz (amtlich)

Die Wirkung des § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV setzt voraus, dass die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, der zufolge keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf, im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 28.05.2018; Aktenzeichen (302 Ds) 3012 Js 15877/16 (19/17))

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. Mai 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt. Ausweislich der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen führte der polnische Angeklagte, der in Polen lebt, dort als selbständiger Maler arbeitet und über eine polnische Fahrerlaubnis der Klasse B verfügt, am 12. November 2016, 8. Dezember 2016 und 10. August 2017 in insgesamt vier Fällen jeweils ein Kraftfahrzeug in Berlin (die genauen Tatzeiten- und Orte nennt das Gericht nicht), obwohl er durch seit dem 8. Mai 2015 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. April 2015 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, ihm das Recht, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, entzogen und eine Sperrfrist (Ergänzung durch den Senat: für die Erteilung einer Fahrerlaubnis) von neun Monaten verhängt worden war.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner (Sprung-) Revision und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

II.

Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 341 Abs.1, 344, 345 StPO form- und fristgerecht erhoben. Sie hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg, weil der Schuldspruch sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht standhält.

1. Zwar ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte keine Berechtigung besaß, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Denn nach § 29 Abs. 1 FeV ist der Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis, der keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland besitzt, nur dann befugt, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wenn keiner der in § 29 Abs. 3 Satz 1 FeV erfassten Ausschlussgründe vorliegt. Auf der Grundlage der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist ein Ausschlussgrund nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV gegeben, weil es sich bei der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. April 2015 angeordneten Sperrfrist nach § 69a StGB um eine gerichtliche Entscheidung im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 StGB handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. August 2014 - (3) 121 Ss 71/14 (84/14) - juris; OLG Hamm, Urteil vom 8. Dezember 2012 - 3 Ss 382/09 - juris Rdn. 10; OLG Köln NJW 2010, 2817).

Rechtlich zutreffend ist weiter, dass der Angeklagte auch nach Ablauf der Sperrfrist gemäß § 69a StGB aus seiner polnischen Fahrerlaubnis keine Erlaubnis zum Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs im Inland ableiten konnte, weil diese Berechtigung vorausgesetzt hätte, dass dem Angeklagten gemäß § 29 Abs. 4 FeV auf seinen Antrag durch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden wäre. Dass dies geschehen ist, ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen.

2. Die Wirkung des § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV setzt gemäß § 29 Abs. 3 Satz 3 FeV voraus, dass die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung, der zufolge keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf, im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist (vgl. Senat NStZ-RR 2015, 25; OLG Oldenburg NZV 2011, 207; OLG Bamberg DAR 2013, 277; alle zum insoweit identischen § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV). Feststellungen dazu enthält das angefochtene Urteil nicht; es erweist sich daher als lückenhaft. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zu den Eintragungen im Bundeszentralregister vermögen diese Darstellungslücke nicht zu schließen. Denn dass die Sperrfrist im Bundeszentralregister eingetragen ist, lässt noch keine zwingenden Schlüsse darauf zu, dass die Sperrfrist zu den Tatzeiten auch im Fahreignungsregister des Kraftfahrtbundesamtes tatsächlich eingetragen war (vgl. dazu im Einzelnen Senat a.a.O.).

3. Soweit das Amtsgericht die Tat vom 12. November 2016 als fahrlässig und die nachfolgenden Taten als vorsätzlich begangen eingeordnet hat, ist das Urteil ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Urteilsgründe sind insoweit lückenhaft, denn das Amtsgericht teilt nicht mit, auf welchen festgestellten Tatsachen die rechtliche Einordnung der Taten hinsichtlich der erfüllten Schuldformen beruht. Zwar handelt es sich dann um keinen durchgreifenden Darstellungsmangel, wenn sich die verwirklichte Schuldform aufgrund der mitgeteilten Gesamtumstände der ...

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