Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzung einer Eigentumswohnung durch Aus- und Übersiedler. Wohnungseigentumssache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gebrauchsüberlassung von Wohnungseigentum an jeweils eine Familie von Aus- oder Übersiedlern für eine Übergangszeit hält sich im Rahmen von Wohnzwecken und kann ohne Vorliegen konkreter Beeinträchtigungen nicht untersagt werden.

 

Normenkette

WEG § 13 Abs. 1

 

Beteiligte

die weiteren in dem angefochtenen Beschluß des Landgerichts Berlin vom 7. April 1992 – 85 T 133/91 – namentlich aufgeführten Wohnungseigentümer zu 1) bis 30)

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 285/90)

LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 133/91)

 

Tenor

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Beschlusses des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. März 1991 – 70 II 285/90 – wird die Eigentümergemeinschaft verpflichtet, dem Antragsteller die Zustimmung zur Nutzung seiner Wohnung Nr. 1 zu dem Zweck zu erteilen, daß er dort auf der Grundlage eines Vertrages mit der öffentlichen Hand bis zu fünf Aus- oder Übersiedler einer Familie entgeltlich aufnehmen darf.

Die Gerichtskosten der drei Instanzen hat das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die in der Innenstadt gelegene Wohnanlage umfaßt insgesamt 33 Wohnungen. Der Antragsteller ist Eigentümer der Wohnung Nr. 1, die eine Wohnfläche von ca. 52 m² aufweist und aus einem Zimmer, Küche, Diele, Bad und einem Kellerraum besteht. Die Teilungserklärung vom 6. Juli 1978 sieht unter § 7 Abs. 3 bis 5 vor, daß jeder Wohnungseigentümer zur Gebrauchsüberlassung des Wohnungseigentums an Dritte und zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung der schriftlichen Zustimmung des Verwalters bedarf, die allerdings nur aus wichtigem Grund versagt oder widerrufen werden darf, wobei in diesen Fällen die Entscheidung der Eigentümerversammlung durch einfachen Mehrheitsbeschluß herbeigeführt werden kann. Einen Antrag des Antragstellers auf Zustimmung zur gewerblichen Nutzung seiner Wohnung lehnte die Eigentümerversammlung durch Mehrheitsbeschluß zu TOP 8 a) vom 6. Juni 1990 ab. Unter rechtzeitiger Anfechtung dieses Beschlusses hat der Antragsteller in erster Instanz beantragt, den Verwalter bzw. die Eigentümergemeinschaft zu verpflichten, die Nutzung seiner Wohnung zu dem Zweck zu genehmigen, dort auf der Grundlage eines Vertrages mit der öffentlichen Hand Aus- und Übersiedler aufzunehmen. Mit Beschluß vom 11. März 1991 hat das Amtsgericht Charlottenburg den Antrag zurückgewiesen. Nach Einlegung der Erstbeschwerde hat der Antragsteller seinen Antrag dahin präzisiert, die Antragsgegner zu verpflichten zuzustimmen, daß er auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Senat von Berlin in seiner Wohnung bis zu fünf Aus- und Übersiedler einer Familie entgeltlich unterbringen darf. Mit Beschluß vom 7. April 1992 hat das Landgericht die Erstbeschwerde zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde hat der Senat die Eigentümergemeinschaft zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet.

Die gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist sachlich gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG). Dem Antragsteller steht gegen die Gemeinschaft ein Anspruch auf Zustimmung zu der von ihm entsprechend dem zweitinstanzlichen Antrag beabsichtigten Nutzung seiner Wohnung zu.

Verfahrensfehlerfrei hat das Landgericht den in zweiter Instanz veränderten Antrag des Antragstellers zugelassen. Die Gegenseite hat sich auf diesen Antrag eingelassen. Die Beteiligten erstreben eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der von dem Antragsteller gewünschten Benutzung seiner Wohnung. Unter diesen Umständen bedarf es auch nicht einer vorherigen Befassung der Eigentümerversammlung mit dem veränderten Antrag im Sinne des § 7 Abs. 5 der Teilungserklärung vom 6. Juli 1978. Aus dem Verhalten der Gegenseite im gerichtlichen Verfahren ergibt sich, daß sie auch der veränderten Antragstellung entgegentritt, und zwar ebenfalls unter Berufung auf wichtige Gründe gegen die von dem Antragsteller beabsichtigte Gebrauchsüberlassung an die öffentliche Hand.

Durch § 7 Abs. 3 ff. der Teilungserklärung ist in zulässiger Weise (vgl. BGHZ 37, 203 = NJW 1962, 1613) das Recht der einzelnen Wohnungseigentümer, ihre Wohnung einem Dritten zur Benutzung zu überlassen, mit dinglicher Wirkung (§ 10 Abs. 2 WEG) beschränkt worden. Die Gebrauchsüberlassung des Wohnungseigentums an Dritte und zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung bedarf der Zustimmung des Verwalters, der in Vertretung der Eigentümergemeinschaft handelt, die nach § 7 Abs. 5 der Teilungserklärung darüber wiederum letztlich, aber gerichtlich nachprüfbar zu entscheiden hat. Nach § 7 Abs. 4 der Teilungserklärung darf die Zustimmung allerdings nur aus einem wichtigen Grund versagt werden; als Beispielsfalle zählt die Teilungserklärung auf, daß die Ausübung d...

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