Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendung der §§ 142 bzw. 144 ZPO im selbständigen Beweisverfahren (hier offengelassen).

2. Die Anordnung einer Vorlage von Urkunden oder sonstigen Unterlagen gegenüber einer Partei oder Dritten kommt im selbständigen Beweisverfahren gem. § 485 Abs. 2 ZPO jedenfalls nur dann in Betracht, wenn diese Urkunden oder Unterlagen für die Begutachtung durch den Sachverständigen erforderlich sind.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 27.07.2012; Aktenzeichen 15 OH 1/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Berlin vom 27.7.2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller führt gegen die Antragsgegnerin, die B.D., das vorliegende selbständige Beweisverfahren.

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Luftsportgerätes (Ultraleichtflugzeug), welches (nach Vornahme der erforderlichen Stückprüfung) vom D.A. als Beauftragter der Antragsgegnerin nach § 31c LuftVG zum Verkehr zugelassen worden ist. Der Antragsteller behauptet, das Luftsportgerät sei nicht lufttüchtig und daher nicht nutzbar. Der Antragsteller wirft den für die Antragsgegnerin tätig gewordenen Prüfern für Luftsportgeräte vor, falsche, für die Zulassung des Luftsportgerätes erforderliche Bescheinigungen ausgestellt zu haben, um den Antragsteller über die fehlende Lufttüchtigkeit und damit Genehmigungsfähigkeit der Luftsportgeräte zu täuschen. Bereits im Zeitpunkt der Musterprüfung wie auch später im Zeitpunkt der Stückprüfung der einzelnen Luftsportgeräte der Baureihe hätten Leermasse, Schwerpunktlage sowie Mindestgeschwindigkeit die vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten. Der für die Antragsgegnerin tätige D.A.und der mit der Stückprüfung beauftragte Prüfer (welcher zugleich Geschäftsführer der Herstellerin und Verkäuferin des vom Antragsteller erworbenen Luftsportgerätes war) hätten in planvoller Zusammenarbeit im Rahmen eines groß angelegten Betruges die Luftsportgeräte entgegen der "Bauvorschriften für Ultraleichtflugzeuge" (Ausgabe 10/95, NfL II 100/95) zugelassen und in Verkehr gebracht. Keines der hergestellten und zugelassenen Luftsportgeräte der Baureihe hätten mit dem zugelassenen Muster des Luftsportgerätes und dem hierbei festgelegten Gerätekennblatt (hier Gerätekennblatt Nr. 61142 Ausgabe 3 vom 16.5.2000) übereingestimmt.

Nach Einholung eines ersten Sachverständigengutachtens hat der Antragsteller ergänzende Beweisanträge gestellt. Im Rahmen dieser Ergänzungsanträge hat der Antragsteller auch den Antrag gestellt, dem Sachverständigen Einsicht in Prüfunterlagen des D.A. zu gewähren. Der Antragsteller stützt sein Begehren auf § 142 bzw. § 144 ZPO. Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten.

Das LG hat den Antrag abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Das LG hat es zu Recht abgelehnt, dem Sachverständigen Einsicht in Prüfunterlagen des D.A. über die Luftsportgerätebaureihe D4 BK zu gewähren.

1. Der Senat teilt die Bedenken des LG gegen eine Anwendbarkeit der §§ 142 bzw. 144 ZPO im selbständigen Beweisverfahren, wonach das Gericht anordnen kann, dass eine Partei oder Dritte in ihrem Besitz befindliche Urkunden, sonstige Unterlagen oder andere Gegenstände vorzulegen haben.

a) Aus den Vorschriften über die Beweisaufnahme im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 2 ZPO lässt sich unmittelbar keine Anwendbarkeit dieser Vorschriften herleiten.

Gemäß § 492 Abs. 1 ZPO erfolgt die Beweisaufnahme nach den für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels überhaupt geltenden Vorschriften. Dies sind bei der vorliegend angeordneten Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gem. § 485 Abs. 2 ZPO in erster Linie die Vorschriften über den Beweis durch Sachverständige in den §§ 402 bis 414 ZPO, ergänzend über § 402 ZPO die Vorschriften über den Zeugenbeweis in den §§ 373 bis 401 ZPO sowie soweit von Belang die allgemeinen Vorschriften über die Beweisaufnahme in den §§ 355 bis 370 ZPO.

Keine dieser Vorschriften verweist auf die §§ 142 bzw. 144 ZPO. Auch sonst ist innerhalb der o.g. Regelungen keine Vorschrift ersichtlich, die dem Gericht die Möglichkeit gibt, einer Partei oder Dritten die Vorlage von Urkunden oder Unterlagen aufzugeben.

Lediglich im Fall eines sichernden Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 1 ZPO kommt bei Besorgnis des Verlustes oder der erschwerten Benutzung eines Beweismittels auch der Beweis durch Augenschein in Betracht. Hier verweist § 371 Abs. 2 ZPO auf § 144 ZPO, wenn sich der Gegenstand nicht im Besitz des Beweisführers befindet. Im Falle eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO kommt jedoch nur die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht, so dass nur die oben zitierten Vorschriften anwendbar sind.

b) Dennoch wird vertreten, dass die Vorschriften der §§ 142, 144 ZPO im selbständigen Beweisverfahren anwendbar sind.

aa) In der Literatur findet sich häufig nur die bloße Feststellung einer...

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