Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Feststellungen zur inneren Tatseite hinsichtlich der Entstehung eines nicht unerheblichen Schadens nach § 142 StGB.

 

Normenkette

StGB § 142

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 30.01.2015; Aktenzeichen (317 Ds) 286 Js 434/14 (17/14))

 

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. Januar 2015, soweit die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt worden ist, im Schuldspruch und bezüglich der insoweit verhängten Einzelstrafe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den jeweiligen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision der Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision der Angeklagten, mit der, wie die Ausführungen ergeben, die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang (vorläufigen) Erfolg.

Der gegen die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangene Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand, weil er von den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht gedeckt wird und sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft erweist.

a) Das Revisionsgericht hat zwar die Beweiswürdigung des Tatrichters grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten (BGH NStZ-RR 1998, 15; Gericke in KK, StPO 7. Aufl., § 337 Rn. 29 m. w. N.). Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen ist allein Sache des Tatrichters. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit nach rechtsfehlerfreier Würdigung, die nicht widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sein darf, überzeugt ist (vgl. BGHSt 10, 208, 210). Dabei setzt die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters allerdings objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Dies ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. hierzu BGH StV 1995, 453; NStZ 1990, 501; Gericke aaO.; Senat, Beschluss vom 14. März 2007 - (3) 1 Ss 76/07 (29/07) - m.w.N.). Beim Indizienbeweis müssen die für die Überzeugungsbildung verwendeten Beweisanzeichen lückenlos zusammengefügt und unter allen für ihre Beurteilung maßgebenden Gesichtspunkten vom Tatrichter gewürdigt werden, damit ersichtlich ist, dass der Schuldbeweis erbracht ist und alle gleich nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten für und gegen den Angeklagten geprüft worden sind (vgl. BGHSt 12, 311, 315/316; Ott in KK, StPO 7. Aufl., § 261 Rn. 49 m.N.).

Wenn die Urteilsgründe dagegen nicht vollständig erkennen lassen, dass und aufgrund welcher Beweissituation der Schuldbeweis schlüssig erbracht ist und/oder wenn es an einer Auseinandersetzung des Tatrichters mit allen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen fehlt, kann die subjektive Überzeugung des Tatrichters keine rechtsfehlerfreie Grundlage für eine Verurteilung sein (vgl. KG Beschluss vom 1. Dezember 1997 - (4) 1 Ss 133/97 (122/97) - m.w.N. - in juris). Im Übrigen stehen Unklarheiten im Urteil einer Nachprüfung der Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht entgegen und stellen daher einen sachlich-rechtlichen Mangel der Entscheidung dar (vgl. Gericke aaO.)

b) Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts nicht. Sie enthält zwar ausreichende Feststellungen zur äußeren Tatseite, namentlich zur Unfallverursachung durch die Angeklagte und deren Entfernen vom Ort des Geschehens ohne Ermöglichung der gebotenen Feststellungen. Jedoch sind die - grundsätzlich erforderlichen (vgl. Franke in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 337 Rn. 124 m.N.) - Ausführungen zur inneren Tatseite unzureichend.

Ausführliche - nicht nur formelhafte - Feststellungen zum subjektiven Tatbestand sind namentlich erforderlich, wenn einem Angeklagten vorsätzliche Tatbegehung zur Last gelegt wird und es sich nicht von selbst versteht, dass er vorsätzlich gehandelt hat (BGH JR 1988, 115; KG Beschluss vom 15. Februar 2000 - (5) 1 Ss 16/00 (9/00) - in juris). Der Rechtsbegriff des Vorsatzes muss in entsp...

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