Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 14.05.2004; Aktenzeichen 546 StVK 118/99 BwH II)

LG Berlin (Entscheidung vom 14.05.2004; Aktenzeichen 22 VRs 1 Mü Js 1402/96)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 14. Mai 2004 aufgehoben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die mit dem Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 04. Oktober 1999 bewilligte Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zu widerrufen, wird zurückgewiesen.

Der nicht vollstreckte Rest der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Januar 1997 wird erlassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer im Rechtsmittelzug entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

 

Gründe

Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 14. Januar 1997, rechtskräftig seit dem 28. Januar 1997, wegen Geldfälschung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den bis zum 08. Oktober 1999 nicht verbüßten Strafrest von 821 Tagen hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluß vom 04. Oktober 1999, rechtskräftig seit dem 13. Oktober 1999, zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit auf drei Jahre bestimmt, den Beschwerdeführer der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihn angewiesen, jeden Wohnsitzwechsel dem Bewährungshelfer unverzüglich anzuzeigen. Die Unterstellung hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluß vom 27. Mai 2002 aufgehoben.

Weil der Beschwerdeführer (angeblich) am 17. Januar 2002 fahrlässig ein nicht haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug geführt hat, hat ihn das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - 304a Cs 443/02 - durch den Strafbefehl vom 12. September 2002, rechtskräftig seit dem 06. November 2002, zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt.

Am 03. August 2002 hat der Beschwerdeführer sich einer Beleidigung schuldig gemacht und ist deshalb durch dasselbe Gericht - 250 Ds 902/02 - am 05. November 2003, rechtskräftig seit dem 13. November 2003, zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt worden.

Die Staatsanwaltschaft Berlin - 68 Js 132/00 - hat ihm mit der Anklageschrift vom 28. November 2000 vorgeworfen, ohne Erlaubnis eine halbautomatische Selbstladewaffe (Länge unter 60 Zentimeter) besessen, tateinheitlich gewerbsmäßig eine Schußwaffe und Munition vertrieben und verbotene Hohlspitzgeschosse besessen und vertrieben zu haben. Nach mehrtägiger Hauptverhandlung hat das Landgericht das Verfahren betreffend den Beschwerdeführer mit Beschluß vom 06. März 2001 nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

Aufgrund der beiden den Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten in Verbindung mit dem durch die Einstellung nicht ausgeräumten "hinreichenden" Tatverdacht der Straftaten nach dem Waffengesetz sah die Strafvollstreckungskammer "in der Gesamtschau" ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Beschwerdeführers in der Bewährungzeit und widerrief deshalb die Reststrafenaussetzung (§§ 57 Abs. 3, 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde (§ 453 Abs. 2 Satz 3 StPO) des Verurteilten hat Erfolg.

1.

Die Voraussetzungen des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen nicht vor. Diese Vorschrift verlangt zunächst, daß der Verurteilte in der Bewährungszeit eine neue Straftat begangen hat und weiterhin, daß er dadurch die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung - er werde künftig keine Straftaten mehr begehen - widerlegt hat.

2.

Maßgebend für die Erfüllung der ersten formellen Voraussetzung ist sonach die Begehung einer neuen Tat, nicht notwendig indes ihre (rechtskräftige) Aburteilung. Jedenfalls muß die. schuldhafte (vgl. KG StV 1988, 26) Begehung der Tat zur Überzeugung des Widerrufsgerichts feststehen (vgl. BVerfG NStZ 1987, 118). Ihre Berücksichtigung als Widerrufsgrund hindert es folglich nicht, daß sie noch nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, sofern sich das Widerrufsgericht die Überzeugung von der Schuld des Täters verschafft hat (vgl. BVerfG aaO. und StV 1996, 163; EGMR StV 2003, 82 mit Anmerkung Pauly = StraFo 2003, 49 = NJW 2004, 43 und StV 1992, 282; OLG Jena NStZ-RR 2003, 316; HansOLG NStZ 1992, 130; KG NStZ-RR 2001, 136, 137 und StV 1988, 26; Gribbohm in LK, StGB 11. Aufl., § 56f Rdn. 9; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl., § 56f Rdnrn. 4 - 7 m. weit. Nachw. auch zur Gegenmeinung). Diese Überzeugung kann das Gericht sich zwar nicht durch die eigene Vernehmung von Zeugen, wohl aber etwa aufgrund eines glaubhaften Geständnisses verschaffen (vgl. EGMR StV 2003, 82, 85; OLG Jena aaO.; OLG Hamburg NStZ 1992, 130; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 131; mit Einschränkungen OLG Schleswig NJW 1992, 2646; Gribbohm in LK, § 56f StGB Rdn. 8; Tröndle/Fischer, § 56f StGB Rdn. 7).

Bei rechtskräftiger Aburteilung der neuen Tat ist zu unterscheiden, ob dies durch das Urteil eines erkennenden Gerichts nach einer Hauptverhandlung oder durch Str...

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