Leitsatz (amtlich)

In nach dem 1. Januar 1977 errichteten Haftanstalten darf das Recht des Gefangenen auf einen Einzelhaftraum nicht durch einen Mangel an Einzelhaftplätzen unterlaufen werden. Die Vollzugsanstalt darf einen Gefangenen wegen hoher Belegungszahlen nicht auf eine "Organisationsfrist" von drei Monaten verweisen.

 

Tenor

Die Hauptsache ist erledigt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller verbüßt bei der Antragsgegnerin Strafhaft.

Am 2. Januar 2003 beantragte der in einer Doppelzelle mit einem anderen Gefangenen untergebrachte Antragsteller die Unterbringung in einem Einzelhaftraum aus gesundheitlichen Gründen. Nach Untersuchung durch die Anstaltsärztin hat die Antragsgegnerin zwingende Gründe für eine Einzelunterbringung aus medizinischen Gründen abgelehnt, den Anspruch des Gefangenen auf einen Einzelhaftraum aber bejaht und ihn auf die dort geführte Warteliste gesetzt. Wegen der chronischen Überbelegung behilft sich die Vollzugsanstalt mit einer "Organisationsfrist" von drei Monaten, um den unmittelbaren Rechtsanspruch der Gefangenen auf einen Einzelhaftraum nicht auf Kosten von Mitgefangenen mit gleichem Rechtsanspruch durchsetzen zu müssen.

Auf den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 23. Februar 2003 hat die Strafvollstreckungskammer die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. März 2003 angewiesen, dem Antragsteller unverzüglich einen Einzelhaftraum zuzuweisen, weil jeder Gefangene in der Justizvollzugsanstalt gemäß § 18 StVollzG einen Anspruch auf Einzelunterbringung habe.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Der Senat braucht auf die Rechtsbeschwerde in der Sache nicht zu entscheiden.

Die Hauptsache hat sich nach dem Eingang der Rechtsbeschwerde bei Gericht am 28. April 2003 in anderer Weise als durch Zurücknahme erledigt: Am 3. Juni 2003 ist der Antragsteller in die Justizvollzugsanstalt verlegt worden.

III.

Gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG war daher nur über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Der Senat hat der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten auferlegt, die auch die notwendigen Auslagen des Antragstellers zu tragen hat.

Die Rechtsbeschwerde wäre zwar im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtssprechung und die Fortbildung des Rechts zulässig, in der Sache aber unbegründet gewesen.

1.

Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer einen Anspruch des Antragstellers auf Zuweisung eines Einzelhaftraums aus § 18 Abs. 1 StVollzG bejaht. Danach werden Gefangene während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht; eine gemeinsame Unterbringung ist nur ausnahmsweise zulässig, sofern ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit eines Gefangenen besteht. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Die chronische Überbelegung der Anstalt ist keine solche Ausnahme (OLG Celle ZfStrVo 1999, 57). Die Ausnahmeregelung des § 201 Nr. 3 StVollzG greift nicht, weil mit der Errichtung der Justizvollzugsanstalt erst nach dem 1. Januar 1977 begonnen wurde.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es angesichts der derzeitigen Belegungszahlen im niedersächsischen Justizvollzug nicht immer möglich ist, Doppelbelegungen zu vermeiden. Der Mangel an Einzelhaftplätzen darf jedoch nicht dazu herhalten, das geltende Recht und seine Intentionen zu unterlaufen (s.a. KG NStZ-RR 98,191). Hier Abhilfe zu schaffen, ist Aufgabe der Vollzugs- und Vollstreckungsbehörden und ggfs. des Gesetzgebers. Die vom Land Niedersachsen seit 1995 in dem Bestreben, den Vorgaben des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, eingeleiteten und teilweise bereits durchgeführten Baumaßnahmen sind daher aus Sicht des Senats unumgänglich. Sie sind geeignet, der rechtswidrigen Doppelbelegung in der Zukunft entgegenzuwirken, können diese jedoch im Rahmen des - hier allein einschlägigen - § 18 StVollzG nicht rechtfertigen.

2.

Entgegen der in der Beschwerdeschrift vertretenen Auffassung verletzt der angefochtene Beschluss auch nicht deswegen materielles Recht, weil es unmöglich ist, allen Gefangenen der Justizvollzugsanstalt ohne Wartefrist einen Einzelhaftraum auf Dauer zuzuweisen, der Beschluss mithin nicht umgesetzt werden kann, ohne gleichzeitig andere Gefangene in ihrem Recht auf Einzelunterbringung nach § 18 StVollzG zu verletzen. Es ist anzuerkennen, dass die Vollzugsanstalt versucht, den (rechtswidrigen) Mangel möglichst gerecht zu verwalten, dies ändert jedoch nichts an der Rechtswidrigkeit der Doppelunterbringung als solcher. Das Dilemma ist aus Sicht des Senats - bei gleich bleibenden Gefangenenzahlen - erst durch die Einrichtung zusätzlicher Vollzugsplätze zu lösen.

3.

Eine "Organisationsfrist" von drei Monaten für die Unterbringung von Gefangenen in einem Einzelhaftraum steht der Antragsgegnerin nicht zu.

a.

Der insoweit herangezogene Vergleich zur so genannten "Organisationshaft" bei der Überstellun...

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