Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit; Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer zum Zwecke der Abschiebung durchgeführten Maßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Prüfung eines Antrages auf (nachträgliche) Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme, die zum Zwecke der Abschiebung auf Ersuchen der Ausländerbehörde durch Polizeibeamte und ohne Stellung eines Haftantrages durchgeführt worden ist, ist in Berlin das AG Schöneberg zuständig.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 30.08.2003; Aktenzeichen 88 T 246/02)

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 09.07.2002; Aktenzeichen 70 XIV 1695/02 B)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen werden der Beschluss der Zivilkammer 88 des LG Berlin vom 30.8.2002 und der Beschluss des AG Schöneberg vom 9.7.2002 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur anderweitigen Erörterung und Entscheidung - auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde - an das AG Schöneberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde ersuchte die Polizei am 14.5.2002 darum, den Betroffenen am 16.5.2002 bis um 12.00 Uhr zum Zwecke der Abschiebung festzunehmen und zum Polizeigewahrsam ... zu bringen. Die Ausländerbehörde teilte dabei mit, dass die Abschiebung um 16.55 Uhr an jenem Tage erfolgen solle.

Die Polizei nahm den Betroffenen am 16.5.2002 gegen 10.30 Uhr fest. Von 11.30 Uhr bis 13.15 Uhr wurde er im Polizeigewahrsam T. Damm in einem Haftraum festgehalten. Danach wurde er zum Flughafen gebracht.

Um 14.05 Uhr ging beim AG Schöneberg ein Antrag des Betroffenen ein, wonach seine sofortige Entlassung angeordnet werden solle.

Um 15.25 Uhr desselben Tages wurde der polizeiliche Festnahmebericht von 14.45 Uhr dem zuständigen Mitarbeiter der Ausländerbehörde per Fax übersandt. Einen Haftantrag stellte die Ausländerbehörde nicht.

Der Betroffene wurde um 16.55 Uhr abgeschoben.

Der Betroffene hat mit Schriftsatz seines Verjährensbevollmächtigten vom 27.5.2002 den Antrag gestellt festzustellen, dass "die gesamte Freiheitsentziehung am 16.5.2002 in der Zeit von 10.25 Uhr bis 16.55 Uhr rechtswidrig" gewesen sei.

Mit Beschluss vom 9.7.2002 hat das AG Schöneberg den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erachtet und das Verfahren an das AG Tiergarten verwiesen.

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG Berlin mit Beschluss vom 30.8.2002 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist statthaft. Das LG hat, indem es die sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen hat, ebenfalls den vom Antragsteller beschrittenen "Rechtsweg" für unzulässig erklärt. Es hat allerdings nicht die Zuständigkeit eines Gerichtes eines anderen Rechtsweges angenommen.

Die Zuständigkeitsproblematik betrifft hier zum einen die Abgrenzung zwischen der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zum anderen betrifft sie eine sich aus dem Landesrecht ergebende Frage, nämlich die Abgrenzung der Zuständigkeit des AG Schöneberg und des AG Tiergarten. Beide Gerichte entscheiden - soweit hier einschlägig - nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG), das seinerseits auf die Regelungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) verweist (§ 3 FEVG, § 31 Abs. 3 ASOG Bln). Nach Ansicht des Senats finden die Regelungen des § 17a Abs. 2 GVG auf die vorliegende Konstellation Anwendung (wie hier: OLG Frankfurt v. 7.4.1993 - 20 W 100/93, OLGReport Frankfurt 1993, 185 = NJW-RR 1994, 447 [448]; vgl. OLG Schleswig v. 28.4.2003 - 2 W 207/02, OLGReport Schleswig 2003, 421; bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang).

Nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG ist gegen den Verweisungsbeschluss die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Die Möglichkeit der sofortigen weiteren Beschwerde wird in der Vorschrift nicht erwähnt. Die Heranziehung des § 17a GVG zur Bestimmung des zulässigen Rechtsweges in der hiesigen Fallkonstellation führt aber nicht zu einer Verkürzung des Rechtswegs nach dem FGG. Denn durch den Verweis auf die jeweiligen Verfahrensordnungen ist dem FGG zu entnehmen, ob eine sofortige weitere Beschwerde statthaft ist (vgl. BayObLG v. 5.10.1995 - 2Z BR 92/95, MDR 1996, 95). Das ist hier der Fall, § 27 FGG i.V.m. §§ 3 S. 2, 7 Abs. 1 und 2 FEVG und § 103 Abs. 2 S. 1 AuslG. Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen (§§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG) sind erfüllt.

Das Rechtsmittel ist insoweit begründet, als die Entscheidungen des LG Berlin und des AG Schöneberg aufzuheben waren. Das Verfahren war an das AG Schöneberg zurückzuverweisen. Das LG hat aufgrund eines Rechtsfehlers, auf den die weitere Beschwerde gem. § 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 559 ZPO mit Erfolg allein gestützt werden kann, eine Zuständigkeit jenes Gerichts für das hier vorliegende Rechtsschutzbegehren verneint.

Der Antragsteller begehrt die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme, di...

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