Leitsatz (amtlich)

1. Der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität kann der Zwangsvollstreckung, die gegen einen fremden Staat als Schuldner betrieben wird, entgegen stehen. Zweifelhaft ist, ob auch die Beteiligung des fremden Staates an einem Zwangsvollstreckungsverfahren als Drittschuldner seine hoheitlichen Interessen in einer Weise berühren kann, die zur Annahme völkergewohnheitsrechtlicher Immunität führt (hier: Pfändung und Überweisung gegen den fremden Staat gerichteter Sold- und Versorgungsansprüche eines Soldaten). Die Annahme einer solchen Regel des Völkerrechts würde jedenfalls eine Vorabentscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 2 GG erfordern.

2. Offen bleibt, ob der Auslandsbezug einer gegen einen fremden Staat gerichteten öffentlich-rechtlichen Forderung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Vollstreckung in diese Forderung entgegen steht.

3. Zum Schutzzweck des Schadensersatzanspruchs nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 10.06.2011; Aktenzeichen 31 O 133/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Berlin vom 10.6.2011 - 31 O 133/10 - wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die nach § 568 ZPO der Einzelrichter des Senats zu entscheiden hat, ist nicht begründet. Die Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

I. Gegenstand der Klage ist ein Schadensersatzanspruch, der sich daraus ergeben soll, dass der Staat Großbritannien bzw. das für ihn handelnde Verteidigungsministerium (die Beklagte) seine Pflichten als Drittschuldnerin im Zusammenhang mit einem in Deutschland gegen den Schuldner J geführten Zwangsvollstreckungsverfahren nicht erfüllt habe. Die Beklagte sei zur Zahlung in Höhe der gegen den Schuldner titulierten Unterhaltsansprüche von 17.889,11 EUR verpflichtet, da sie sich nach Erhalt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des AG Münster (der auf den Antrag vom 1.3.2007 ergangen sei) in ihrer Eigenschaft als Drittschuldnerin auf eine Unpfändbarkeit von Bezügen des Soldaten J nach englischem Recht berufen, keine Drittschuldnererklärung i.S.v. § 840 Abs. 1 ZPO abgegeben und die Durchsetzung der Forderung nicht gefördert, sondern vereitelt habe.

Prozesskostenhilfe wird damit nicht für einen Drittschuldnerprozess begehrt, in dem ein gepfändeter und zur Einziehung überwiesener Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner vom Gläubiger geltend gemacht wird (s. §§ 829, 835, 836 ZPO). Ein solches Verlangen wäre auch nicht schlüssig begründet. Zum einen ist nicht ersichtlich, ob und ggf. welche Ansprüche dem (nach Vortrag des Klägers: ehemaligen) Soldaten J gegen die Beklagte zustehen. Die konkrete Bezifferung von Sold-, Abfindungs- oder Versorgungsansprüchen würde voraussetzen, dass der Kläger gem. § 836 Abs. 3 ZPO Auskunft vom Schuldner J erlangt, die ihm eine konkrete Darlegung einer Klageforderung ermöglicht (vgl. BGH NJW 2007, 606).

Zum anderen wären die deutschen Gerichte für eine solche Drittschuldnerklage nicht international zuständig. Die Zuständigkeit läge bei englischen Gerichten, da es sich um Forderungen eines Soldaten gegen einen fremden Staat als seinen Dienstherren handelt, für die eine deutsche Rechtsprechungshoheit nicht besteht.

II. Die vor dem LG erhobene Schadensersatzklage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO.

1) Fraglich ist allerdings die Annahme des LG, dass die Pfändung der Beklagten gegenüber nach § 20 GVG i.V.m. dem gem. Art. 25 GG geltenden Völkergewohnheitsrecht wegen Verletzung ihrer Staatenimmunität unwirksam sei. Unwirksam ist danach die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat, wenn die Vermögensgegenstände hoheitlichen Zwecken dieses Staates dienen (s. BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485 [486 f.]; BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 [2767]; BGH NJW 2010, 769; NJW-RR 2006, 198, 200 m. N.; NJW-RR 2003, 1218 [1219]). Ferner folgt aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Saatenimmunität, dass Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen sind, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit durch arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten mit (Botschafts-)Angestellten berührt ist, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen (s. BAG RIW 2011, 167 f. m. N.).

Um beides geht es vorliegend jedoch nicht. Über das Beschäftigungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Schuldner wird durch die gegen ihn vorgenommene Vollstreckung nicht entschieden. Die Zwangsvollstreckung richtet sich auch nicht gegen die Beklagte, sondern gegen den Schuldner J. Ob die Pfändung des gegen einen fremden Staat gerichteten Anspruchs, die seine Stellung als Drittschuldner begründet, seine hoheitlichen Interessen in einer Weise berühren kann, die zur Annahme völkergewohnheitsrechtlicher Immunität führt, ist zweifelhaft (vgl. LG Bonn MDR 1966, 935; Geimer, IZPR, 6....

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