Leitsatz (amtlich)

Macht eine GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ein Ehegatte ist und die die Ehewohnung angemietet hat, nach Trennung der Eheleute gegen den anderen Ehegatten einen Herausgabeanspruch aus einem vermeintlichen Leihvertrag geltend, so liegt in erweiternder Auslegung von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG eine Familiensache vor.

 

Normenkette

FamFG § 266

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 05.12.2022; Aktenzeichen 56 O 124/22)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 05.12.2022, Az. 56 O 124/22, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine GmbH, verlangt von der Beklagten mit der bei dem Landgericht Berlin eingereichten Klage Herausgabe der Wohnung N-Straße Berlin. Die Wohnung wurde von der Klägerin, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer Herr H ist, ab 01.09.2016 angemietet mit dem Zweck einer Wohnnutzung durch die Beklagte und Herrn H, die im Sommer 2016 eine Beziehung aufgenommen hatten. Im Mietvertrag vom 01.08.2016 heißt es in der Präambel: "Der Mieter überträgt die Nutzungsrechte an der Wohnung an Frau B. P. und Herrn G. H. Der Vermieter genehmigt die Übertragung der Nutzungsrechte ausschließlich an die genannten Nutzer. ..." Die Klägerin und Herr H bezogen die Wohnung im September 2016 und heirateten einige Zeit später. Nach dem Auszug des Herrn H im September 2021 bewohnt die Beklagte die Wohnung mit dem am 22.05.2017 geborenen gemeinsamen Kind der Eheleute.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr ein im Zivilprozess zu verfolgender Herausgabeanspruch aus einem mündlich geschlossenen Leihvertrag nach § 604 Abs. 3 BGB zustehe. Sie behauptet, dass sie mit der Beklagten und Herrn H mündlich einen unbefristeten Leihvertrag geschlossen habe. Mit ihrem Herausgabeverlangen ab Beginn des Jahres 2022 habe sie diesen gekündigt. Ihr Geschäftsführer habe bereits bei Verlassen der Wohnung die Beklagte aufgefordert, sich zeitnah eine eigene Wohnung zu suchen, weil er in die streitgegenständliche Wohnung zurückkehren wolle.

Die Klägerin meint, dass es sich um eine Zivilsache und nicht um eine Familiensache handele. Beteiligte des Streits über eine Ehewohnung seien nur die Eheleute und keine Dritten, insbesondere keine Kapitalgesellschaften. Solche könnten nur als Vermieter in einen Wohnungszuweisungsstreit (s. § 1568a BGB) einbezogen werden, worum es hier jedoch nicht gehe.

Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des Landgerichts Berlin gerügt. Es handele sich um eine Ehewohnung, deren Herausgabe den besonderen materiellrechtlichen Regelungen des § 1361 b BGB und verfahrensrechtlich dem FamFG unterfalle. Der Schutz der Beklagten und ihres Sohnes könne nicht durch die Zwischenschaltung der Klägerin, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer ihr getrennt lebender Ehemann sei, umgangen werden. Die Beklagte bestreitet den Abschluss eines Leihvertrags und meint, dass die Eheleute aufgrund der Präambel des Mietvertrags unmittelbar die Stellung von Mietern erlangt hätten. Die Zwischenschaltung der Klägerin habe ihres Wissens allein den Grund, dass ihr Ehemann die für die Privatnutzung der Wohnung anfallenden Mietkosten als Betriebsausgaben steuerlich habe absetzen wollen.

Das Landgericht hat sich mit Beschluss vom 05.12.2022 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Kreuzberg - Familiengericht - verwiesen. Es handele sich um eine Ehewohnungssache nach §§ 111 Nr. 5, 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Nicht nur der Ehemann, sondern auch die Klägerin, hinter der bei wertender Betrachtung der Ehemann stehe, sei verpflichtet, der Beklagten Schutz nach § 1361 b BGB zu gewähren.

Hiergegen richtet sich die (sofortige) Beschwerde der Klägerin, die am 19.12.2022 beim Landgericht eingegangen ist.

Der originäre Einzelrichter des Senats hat mit Beschluss vom 27.02.2023 das Verfahren dem Senat zur Entscheidung in voller Besetzung wegen besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 S. 2 ZPO übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG, §§ 567 ff ZPO statthaft und in zulässiger Weise, insbesondere rechtzeitig, eingelegt. Sie ist jedoch unbegründet, da die Familiengerichte nach §§ 23 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 23 b Abs. 1 GVG zur Entscheidung zuständig sind.

1) Allerdings geht der Senat nicht davon aus, dass es sich um eine Ehewohnungssache i.S. von §§ 111 Nr. 5, 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG i.V.m. § 1361 b BGB handelt. § 1361 b BGB gibt einem Ehegatten das Recht, zur Vermeidung einer unbilligen Härte während der Trennungszeit eine Überlassung der Ehewohnung an sich allein zu verlangen. Diese Zuweisungsentscheidung des Familiengerichts führt nicht zu einer Umgestaltung von Rechtsverhältnissen, sondern lediglich zu einer vorläufig und nur zwischen den Ehegatten wirkenden Regelung, weshalb eine Beteiligung Dritter, etwa eines Vermieters, in diesem Verfahren nach § 204 Abs. 1 FamF...

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