Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.12.2001; Aktenzeichen 5 O 185/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 3. Dezember 2001 - 5 O 185/01 - wird auf ihre Kosten bei einem Streitwert von 208.760,48 EUR als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Berufung der Beklagten war gemäß § 520 ZPO a.F. als unzulässig zu verwerfen, weil sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen lässt, dass das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt worden ist.

Es wird zunächst auf die Gründe des Hinweisbeschlusses vom 4. Juni 2021 Bezug genommen, einschließlich des dort wiedergegebenen Sachverhalts, der Prozessgeschichte und der gestellten Anträge. Die rechtlichen Ausführungen in dem Hinweisbeschluss werden durch die Stellungnahmen der Beklagten vom 29. Juni 2021 und 28. Juli 2021 nicht entkräftet.

1. Es ist - anders als die Beklagte meint - nicht zutreffend, dass die hiesige Gerichtsakte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen nicht hätte vernichtet werden dürfen. Das Insolvenzverfahren, das zu der Unterbrechung des hiesigen Verfahrens geführt hat, ist mit Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 11. Mai 2006 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt worden. Vor diesem Hintergrund hat jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2006 die gemäß den Bestimmungen über die Aufbewahrung von Schriftgut der Justiz geltende Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren zu laufen begonnen. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums musste der Beklagten klar sein, dass die Akte vernichtet wird. Bis zu der Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Beklagte im Jahr 2020 war diese Frist bereits seit vielen Jahren abgelaufen. Auch der Virusbefall im Jahr 2019 konnte sich wegen der jedenfalls seit dem Jahr 2012 zulässigerweise vernichteten Akten auf die Rechte der Beklagten von vornherein nicht negativ auswirken. Es bestand auch weder für das Kammergericht noch für das Landgericht eine Pflicht, auf die bevorstehende Rücksendung bzw. Vernichtung der Akte hinzuweisen. Die Aktenordnung ist Landesrecht und darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Anders als die Beklagte meint, ist ihr auch der Nachweis einer form- und fristgemäßen Einlegung der Berufung nicht gelungen. Wie bereits in dem Hinweisbeschluss vom 4. Juni 2021 ausgeführt, bleibt es bei den Anforderungen des § 286 ZPO a.F. an die richterliche Überzeugungsbildung, so dass die beweisbelastete Beklagte den vollen Beweis zu erbringen hat. Diesen Vollbeweis hat die Beklagte aber auch unter Berücksichtigung sämtlicher von ihr vorgelegter Unterlagen letztlich nicht zu führen vermocht. Weder anhand der Verfügung vom 25. März 2002, mit dem der Klägerin aufgegeben worden war, innerhalb von drei Monaten auf die Berufungsbegründung zu erwidern, noch aus der Ladung zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung oder der Aufhebung des Termins und dem Hinweis auf die Unterbrechung des Verfahrens kann mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass die Berufung unter Einhaltung sämtlicher Form- und Fristvorschriften eingereicht worden ist.

Bei der Annahme, dass die Unzulässigkeit der Berufung von dem damaligen Vorsitzenden übersehen wurde, handelt es sich auch nicht nur um eine bloße theoretische Möglichkeit, die deshalb bei der Überzeugungsbildung des Senats außer Betracht bleiben könnte. So kommt es in der Gerichtspraxis - wie der Senat aus eigener Anschauung weiß - durchaus vor, dass die Unzulässigkeit eines eingelegten Rechtsmittels erst spät, etwa bei der Vorbereitung des Termins oder im Termin zur mündlichen Verhandlung, festgestellt wird. Insoweit ist zu bedenken, dass es - wie ebenfalls in dem Hinweisbeschluss ausgeführt - verschiedene Anforderungen an die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gibt. Vor diesem Hintergrund kann es - wie aus der Praxis bekannt ist - sowohl auf Seiten der Anwaltschaft als auch auf Seiten der Gerichte zu Versäumnissen kommen. Anschaulich zeigt dies etwa eine aktuelle Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 9. März 2021 (VIII ZA 21/20), weil in dem dortigen Verfahren die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels sogar erst nach Abschluss der Berufungsinstanz durch den Bundesgerichtshof erkannt wurde. Derartige Fallkonstellationen sind zwar nicht der Regelfall. Dennoch machen sie deutlich, dass die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht einfach unterstellt werden kann, sondern diese vielmehr in jedem Verfahren einer gesonderten Prüfung unterzogen werden muss. Vorliegend ist es dem Senat wegen des Fehlens der entsprechenden Unterlagen aber schlicht nicht möglich, sich selbst von den konkreten Umständen der Berufungseinlegung ein Bild zu machen und nach freier Überzeugung über die Frage der Zulässigkeit der Berufung zu entscheiden.

Da die Beklagte aus den dargelegten Gründen den fehlenden Nachweis der Zulässigkeit der Berufung selbst zu vertreten hat, liegen auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO a.F.) nicht vor. Es bedarf deshalb auch keiner Entscheidung, ob in dem Vorbringen der Klägerin u...

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