Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 09.03.2007; Aktenzeichen (576) 63/98 Js 1/06 Ns (35/06))

 

Tenor

  • 1.

    Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. März 2007, soweit in ihm die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 3. Januar 2006 verworfen worden ist, wird als unbegründet verworfen.

  • 2.

    Die Beschwerde des Angeklagten gegen denselben Beschluss, soweit in ihm die Beschlüsse des Landgerichts vom 9. und 28. März 2006 aufgehoben worden sind, wird als unzulässig verworfen.

  • 3.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 3. Januar 2006 wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 250,00 EUR verurteilt. In die Sitzungsniederschrift ist am Schluss die Erklärung des Beschwerdeführers aufgenommen, dass er nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung das Urteil annehme und auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichte. Unter dem 6. Januar 2006 hat der Verteidiger des Angeklagten für diesen Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Das Landgericht hat daraufhin den Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 9. März 2006 bestimmt. Zu dieser Verhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. "Auf Vorschlag des Vorsitzenden" der Strafkammer haben sich der Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft mit der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a Abs. 2 StPO einverstanden erklärt. Das Landgericht hat dem Angeklagten mit dem in der Berufungshauptverhandlung verkündeten Beschluss über die vorläufige Einstellung des Verfahrens auferlegt, 1.500,00 EUR an den Zeugen A. und 2.500,00 EUR an die Staatskasse zu zahlen. Nachdem die Zahlungen nachgewiesen worden waren, hat das Landgericht durch Beschluss vom 28. März 2006 das Verfahren nach § 153 a Abs. 2 StPO endgültig eingestellt. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss die nach § 153 a Abs. 2 StPO ergangenen Entscheidungen aufgehoben und die Berufung des Angeklagten als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel des Angeklagten haben keinen Erfolg.

1.

Die gegen die Verwerfung der Berufung eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 322 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO), aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Berufung zu Recht nach § 322 Abs. 1 Satz 1 StPO als unzulässig verworfen. Denn der Angeklagte konnte das Urteil des Amtsgerichts nicht mehr anfechten, da er wirksam auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

a)

Der von ihm im Anschluss an die Verkündung des Urteils erklärte Verzicht auf die Einlegung von Rechtsmitteln ist, ebenso wie der Rechtsmittelverzicht der Amtsanwaltschaft, in der Sitzungsniederschrift der Hauptverhandlung nach § 273 Abs. 3 Satz 3 StPO beurkundet worden. Die Niederschrift weist ferner aus, dass die protokollierte Erklärung vorgelesen und von dem Angeklagten genehmigt worden ist. Die vorgenommene Beurkundung erbringt gemäß § 274 Satz 1 StPO den vollen Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer den Rechtsmittelverzicht tatsächlich erklärt hat. Dass das Protokoll gefälscht sei, hat der Angeklagte nicht behauptet.

b)

Ein Rechtsmittelverzicht ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Mai 2004 - (4) 1 Ss 174/04 (52/04) -; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 302 Rdnr. 21; jeweils m.w.Nachw.). Nur in besonderen Fällen kann die Verzichtserklärung unwirksam sein. Das gilt insbesondere bei schwerwiegenden Willensmängeln, unzulässigen Absprachen oder sonstigen besonderen Umständen der Art und Weise des Zustandekommens des Rechtsmittelverzichts (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. § 302 Rdnrn. 21 ff m.w.Nachw.). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

aa)

Soweit der Angeklagte vorgetragen hat, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe die Verzichtserklärung nicht in deutscher Sprache abgegeben, hat dies keine Bedeutung für die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts. Denn ausweislich der Sitzungsniederschrift war während der gesamten Dauer der Sitzung ein vereidigter Dolmetscher tätig. Dass er dessen Übersetzungen etwa nicht verstanden und infolgedessen den Inhalt der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung nicht erfasst habe, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; Hinweise auf Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher finden sich auch in der Sitzungsniederschrift nicht.

bb)

Der weitere Vortrag, der Rechtsmittelverzicht sei unwirksam, weil sich aus der Sitzungsniederschrift die "Form und Genauigkeit" der Rechtsmittelbelehrung nicht ergebe, verhilft der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg. Der in der Sitzungsniederschrift enthaltene Vermerk "Rechtsmittelbelehrung ist erteilt" beweist nicht nur die mündliche Belehrung selbst, sondern auch ihre Richtigkeit und Vollständigkeit (ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Januar 2005 - (4) 1 Ss 492/04 (190/04) -; Meyer-...

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