Leitsatz (amtlich)

Einem Insolvenzverwalter ist es grundsätzlich zuzumuten, vor Hinterlegung einer Quotenzahlung bei dem Nachlassgericht um Auskunft über mögliche Erben eines verstorbenen Insolvenzgläubigers nachzusuchen. Unterlässt er eine solche Anfrage, beruht seine Unkenntnis über die Erben eines Insolvenzgläubigers regelmäßig auf Fahrlässigkeit, so dass die Hinterlegungsstelle die Annahme einer Quotenzahlung mangels schlüssiger Darlegung eines Hinterlegungsgrundes nach § 372 S. 2 Alt. 2 BGB zurückweisen kann.

 

Normenkette

BGB §§ 372, 293, 295; InsO §§ 188, 194, 196-197; FamFG §§ 13, 343; BerlHintG §§ 8-9

 

Tenor

Der Antrag wird bei einem Wert bis zu 500 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der J. R.E.-H.GmbH in B.bestellt. Am 30.7.2014 beantragte er bei der Hinterlegungsstelle die Annahme eines Geldbetrags i.H.v. 56,79 EUR und gab zur Begründung an, es handele sich um die auf die Gläubigerin I.H.entfallene Insolvenzquote. Eine Einwohnermeldeamtsanfrage habe ergeben, dass die Gläubigerin am 18.11.2010 verstorben sei, eine Bankverbindung bestehe nicht mehr und Erben seien nicht bekannt.

Die Hinterlegungsstelle verwies den Antragsteller zunächst an das zuständige Nachlassgericht. Erst wenn eine Bestätigung des Nachlassgerichts vorliege, dass bisher keine gesetzlichen Erben ermittelt worden seien bzw. die Erteilung eines Erbscheins in der nächsten Zeit nicht zu erwarten und kein Nachlasspfleger bestellt worden sei, läge ein Hinterlegungsgrund vor.

Hieran hielt die Hinterlegungsstelle mit Schreiben vom 18.8.2014 fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde vom 22.8.2014 hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 4.9.2014 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22.9.2014.

II.1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft, §§ 6 Abs. 3 BerlHintG, 23 ff. EGGVG, und zulässig. Insbesondere ist er innerhalb eines Monats seit Zugang des Bescheids vom 4.9.2014 schriftlich gestellt worden, § 26 Abs. 1 EGGVG.

2. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Der Antragsteller ist durch die Entscheidung des Antragsgegners nicht in seinen Rechten verletzt, § 28 Abs. 1 EGGVG, weil die Hinterlegungsstelle im Ergebnis zu Recht die Annahme zur Hinterlegung verweigert hat.

a) Die Annahme zur Hinterlegung bedarf einer Verfügung der Hinterlegungsstelle. Diese ergeht auf Antrag der hinterlegenden Person, wenn sie die Tatsachen angibt, aus denen ein gesetzlicher Hinterlegungsgrund hervorgeht, § 8 S. 1 und S. 2 Nr. 1 Alt. 1 BerlHintG. Der Antragsteller hat die Tatsachen, welche die Hinterlegung rechtfertigen, im Antrag schlüssig darzulegen, § 9 Abs. 3 S. 1 BerlHintG. Den Antragsteller treffen insoweit weder Nachweispflichten, noch ist die Hinterlegungsstelle zu amtlichen Ermittlungen hinsichtlich des materiellen Hinterlegungssachverhalts befugt oder verpflichtet (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drs. 16/3883, S. 17; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 11, Rz. 22; Olzen in Staudinger, BGB 2011, § 372 Rz. 25).

Schlüssige Darlegung erfordert den Vortrag von Tatsachen, die den Rückschluss auf die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen zulassen (BGH, MDR 2013, 216; Wiedemann/Armbruster, a.a.O., Rz. 25; Bülow/Schmidt, HintO, 4. Aufl., § 6 Rz. 11; Hornung, Rpfleger 1985, 413; Henrichs, Rpfleger 1955, 224).

b) Der Schuldner ist berechtigt, Geld für den Gläubiger zu hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, § 372 S. 1 BGB. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann, § 372 S. 1 Alt. 2 BGB. Keine dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller schlüssig dargetan.

aa) Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Ein wörtliches Angebot genügt, wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat, § 295 S. 1 BGB.

Da es sich bei der Verteilung der Teilungsmasse an die Insolvenzgläubiger um Holschulden handeln soll (Meller-Hannich, in: Jaeger, InsO, § 197 Rz. 19), wird die Auffassung vertreten, dass sich der Gläubiger, der den ihm zustehenden Betrag nicht bis zur Schlussverteilung geltend macht, im Annahmeverzug befinde (Preß, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl., § 198 Rz. 5; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 198 Rz. 8). Der Senat vermag dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.

Auch wenn zur Bewirkung der geschuldeten Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, setzt der Eintritt des Annahmeverzugs ein an den Gläubiger gerichtetes Angebot des Schuldners voraus (vgl. Hager in: Erman, BGB, 14. Aufl., § 293 Rz. 3; Wiedemann/Armbruster, a.a.O., Rz. 27). Dass der im Hinterlegungsantrag bezeichneten Gläubigerin ein solches Angebot gemacht worden wäre, ist ni...

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