Leitsatz (amtlich)

1. Dem Registergericht obliegt neben der formellen Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen bei begründeten Bedenken auf die Prüfung der (materiellen) Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen. Dies schließt die Prüfung ein, ob nach der Satzung ein weiterer Geschäftsführer bestellt werden darf.

2. Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist grundsätzlich seinem objektiven Erklärungswert nach auszulegen. Dabei finden neben Wortlaut und Inhalt und Zweck einer Regelung auch der Anlass ihrer Einfügung Berücksichtigung. Zur Auslegung können aber auch die weiteren zum Handelsregister eingereichten Dokumente herangezogen werden. Tenor

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; GmbHG §§ 39, 46 Nr. 5

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 81 HRB 140083 AG)

 

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 08.02.2022 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.02.2022 wird aufgehoben.

Der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 08.02.2022 in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.02.2022 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligte - nachfolgend auch "Gesellschaft" - ist seit Februar 2012 in das Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Geschäftsführer sind laut Handelsregister aktuell die Herren H. Sch. und S. S.. Die Gesellschaft wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 08.02.2022, mit dem die Anmeldung des Herrn R. K. als weiterer Geschäftsführer zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, das Sonderrecht aus § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags sei nach dem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass jeder Gesellschafter einen Geschäftsführer bestellen dürfe. Für die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung sei kein Raum. Bei der Bestellung eines weiteren Geschäftsführers handele es sich um einen satzungsändernden Gesellschafterbeschluss, der notariell zu beurkunden sei. Dies sei nicht geschehen, was zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses führe.

Gesellschafter waren bei Gründung am 27.12.2011 (und sind aktuell) die Herren H. Sch. mit Geschäftsanteilen im Nennbetrag von 22.500,00 EUR und S. S. mit Geschäftsanteilen im Wert von 2.500,00 EUR (Geschäftsanteile insgesamt: 25.000 im Nennbetrag von je 1,00 EUR). § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages lautete zum damaligen Zeitpunkt:

§ 5

Geschäftsführung, Vertretung

(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.

Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen Geschäftsführern durch einstimmigen Beschluss Alleinvertretungsbefugnis erteilen und sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.

(2) (...)

Mit Urkunde des vorgenannten Notars vom 27.06.2012 (Nr. 289/2012) schlossen Herr J. F., als Vertreter der Herren Sch. und S., sowie Herr R. W. einen Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag, bei dem Herr Sch. die Geschäftsanteile mit der laufenden Nummer 12.501 - 22.500 an Herrn W. übertrug und Herr S. seine 2.500 Geschäftsanteile vollständig, mit der Folge, dass Herr H. Sch. sowie Herr R. W.r je zur Hälfte an der Gesellschaft beteiligt waren. Zugleich wurde in derselben Urkunde durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung § 5 des Gesellschaftsvertrages geändert und dies im Handelsregister eingetragen [Satzziffern in eckigen Klammern durch das Gericht hinzugefügt]:

§ 5

Geschäftsführung, Vertretung

(1) [1]Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. [2]Ist ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. [3]Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.

[4]Die Gesellschafterversammlung kann einzelnen Geschäftsführern durch einstimmigen Beschluss Alleinvertretungsbefugnis erteilen und sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien.

[5]Jeder Gesellschafter ist berechtigt, einen Geschäftsführer zu bestellen. [6]Macht ein Gesellschafter von seinem Benennungsrecht Gebrauch, so ist eine eventuell weiteren Geschäftsführern erteilte Alleinvertretungsbefugnis hinfällig.

[7]Der gegenwärtige Geschäftsführer, Herr L. Sch., gilt als aufgrund des Benennungsrechts des Gesellschafters R. W. bestellt.

(2) (...)

Mit Urteil des Landgerichts Berlin vom 27.08.2014, Az. 100 O 83/13, gegen das die Berufung zum Kammergericht (Az. 2 U 128/14) erfolglos blieb, wurde der dortige Kläger,

W., zur Rückübertragung der Gesellschaftsanteile auf die dortigen Beklagten, die Herren Sch. und S. verpflichtet. Dementsprechend sind die Geschäftsanteile (auch nach der jüngsten Gesellschafterliste vom 09.12.2019) wie zum Gründungszeitpunkt verteilt, nämlich, dass der Gesellschafter Sch. 90% und der Gesellschafter S. 10% der...

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