Normenkette

BGB § 2269

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 20.07.2015)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Schöneberg - Nachlassgericht - vom 20.07.2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 200.000,- EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Erblasserin war bis zu ihrem Tod mit dem Antragsteller verheiratet. Sie brachte eine Tochter, M. M. N.,..., mit in die Ehe.

In notarieller Verhandlung vom 15.05.2008 (UR-Nr ... 2008) haben die Erblasserin und der Beteiligte in ihrem gemeinschaftlichen Testament u.a. folgende Bestimmungen getroffen:

"§ 2

Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Längstlebende von uns soll mit dem Nachlass nach seinem freien Willen und ohne jegliche Einschränkung verfahren dürfen, wie er es für richtig hält, soll also nicht etwa nur befreiter Vorerbe sein, und soll auch frei abweichend testieren können.

Erbin des Längstlebenden und damit Schlusserbe von uns soll sein die Tochter der Ehefrau, Frau M. N.,...,..., ersatzweise deren Sohn S. H.,...

...

Sollte der überlebende Ehegatte eine neue Ehe eingehen, so entfällt seine Alleinerbeneinsetzung rückwirkend. Er soll dann nur den pauschalen Zugewinnausgleich von einem Viertel des Nachlasses des Erstversterbenden sowie seinen Pflichtteil erhalten. An Stelle des Längerlebenden sollen dann die Tochter der Ehefrau, Frau M. N.,..., sowie deren Sohn S. H. zu gleichen Teilen erben."

Der Antragsteller hat aufgrund notarieller Verhandlung vom 11.12.2014 vor dem Notar, der das Testament beurkundet hatte, die Erteilung eines Erbscheines beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.

Das Nachlassgericht hat mit Verfügung vom 16.04.2015 auf Bedenken gegen den gestellten Antrag hingewiesen. Die testamentarische Verfügung, die Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten solle im Falle seiner Wiederverheiratung entfallen, stelle eine bedingte Erbeinsetzung in Form einer Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft und zwar einer befreiten Vorerbschaft dar. Zwar hätten die Testierenden in ihrem Testament unter § 2 ausgeführt, dass eine befreite Vorerbschaft nicht gewollt sei, dazu stehe aber die Anordnung für den Fall der Wiederverheiratung in einem nicht zu lösendem Konflikt. Unter Bezugnahme auf diese Verfügung hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 20.07.2015 zurückgewiesen. Der Urkundsnotar hat gegen diesen ihm am 27.08.2015 zugegangenen Beschluss am 14.09.2015 (Eingang beim Nachlassgericht) für den Antragsteller Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die testierenden Eheleute hätten ihren Willen, sich als Alleinerben und nicht lediglich als befreite Vorerben einzusetzen, im Testament mit größtmöglicher Deutlichkeit erklärt. Aus der später folgenden Bestimmung in § 2 des Testaments für den Fall der Eingehung einer neuen Ehe durch den überlebenden Ehegatten könne nicht auf den Willen zur Vor- und Nacherbschaft geschlossen werden. Die Auswirkung von Vor- und Nacherbschaft sei nicht, dass man seinen Pflichtteil erhält. Es sei auch nicht so, dass ein Nacherbe "überhaupt nicht mehr Erbe ist", sondern auf den Pflichtteil reduziert sein soll (S. 2 der Beschwerdebegründung).

II.1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen vorliegen, einen Erbschein zu erteilen, der den Antragsteller als alleinigen Vollerben ausweist, ohne zugleich eine bedingte Nacherbfolge zugunsten der Tochter und des Enkels der Erblasserin anzugeben. Nach dem hier gegebenen Sachverhalt ist die testamentarische Anordnung einer Vollerbschaft aufgrund der Wiederverheiratungsklausel verbunden mit einer bedingten Vor-/Nacherbschaft. Ein Erbschein, der nicht die Bedingungen für den Eintritt einer Nacherbschaft angibt, kann deshalb nicht erteilt werden. Eine bedingte Nacherbschaft ist im Erbschein anzugeben, da nach § 2363 a.F., der gem. Art. 229 § 36 EGBGB anzuwenden ist, die Voraussetzungen für den Eintritt einer Nacherbschaft anzugeben sind (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2363 Rn. 3, vgl. auch RG, Urteil vom 25.11.1937 - IV B 34/37 -, RGZ 156, 173, 176).

a. Die Schlusserbeneinsetzung i.S.v. § 2269 BGB i.V.m. einer Wiederverheiratungsklausel führt im Regelfall - soweit nicht Besonderheiten im Einzelfall für einen abweichenden Gestaltungswillen der testierenden Eheleute sprechen - einerseits zur Vollerbenstellung des überlebenden Ehegatten, zugleich aber auch zur bedingten Vor- und Nacherbschaft (BGH, Beschluss vom 06.11.1985 - IVa ZB 5/85 -, BGHZ 96, 198; Urteil vom 18.01.1961 - V ZR 83/59 -, FamRZ 61, 275; RG, Urteil vom 25.11.1937 -IV B 34/37 -, RGZ 156, 173; KG, Beschluss vom 30.12.1911 - 1 X 459/11 -, KGJ Bd. 42, 109 ff Nr. 23; OLG München, Beschluss vom 08.01.1937 - Wx 412/36, JFG Bd. 15, 39 ff, Nr. 12; OLG Celle, Beschluss vom 04.10.2012 - 6 W 180/12 -, ZEV 2...

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