Leitsatz (amtlich)

1. Erklärt der Vermieter gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache, so setzt dies voraus, dass sich die Ansprüche vor Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs nach § 548 Abs. 1 BGB aufrechenbar gegenüberstanden (§§ 215, 387 BGB). Wegen der erforderlichen Gleichartigkeit der Ansprüche muss somit vor Eintritt der Verjährung ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung bestanden haben. Der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Integritätsinteresses des Vermieters durch Beschädigungen oder vertragswidrige Veränderungen der Mietsache während der Mietzeit erfordert zwar keine Fristsetzung nach § 281 BGB, da es sich nicht um einen vertraglichen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, sondern um einen Anspruch nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB und § 823 BGB handelt (s. BGH, Urt. v. 28.02.2018 -VIII ZR 157/17 und Urt. v. 27.06.2018 -XII ZR 79/17). Jedoch ist der Schadensersatzanspruch aus §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 823 BGB zunächst auf Wiederherstellung der Sache gerichtet (§ 249 Abs. 1 BGB), so dass es auch insoweit an einer Aufrechnungslage fehlt, bis der Vermieter seine Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ausübt und statt der Herstellung den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangt.

2. Eine mündliche Verhandlung ist nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO nicht bei jeder Abweichung von der Begründung des erstinstanzlichen Urteils geboten, sondern nur dann, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteien im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 29.06.2017; Aktenzeichen 12 O 411/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.06.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 12 O 411/16 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1. des Landgerichtsurteils (nach Teilrücknahme der Klage im Zinspunkt) wie folgt lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.248,04 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Eine Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen erfolgt nach § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO nicht, da der vorliegende Beschluss gemäß § 522 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 544 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO nicht anfechtbar ist. Die Beschwer der Beklagten beträgt nicht mehr als 20.000,00 EUR, sondern 19.248,04 EUR. Der Senat entscheidet in rechtskraftfähiger Weise über die (unstreitige) Klageforderung von 8.400,00 EUR und im Übrigen in Höhe von 19.248,04 EUR ./. 8.400,00 EUR über die insoweit hilfsweise (in der Klageerwiderung) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten von 808,13 EUR bleiben bei der Ermittlung der Beschwer unberücksichtigt, da sie nur als von der Klageforderung abhängige Nebenforderungen i.S. von § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO Gegenstand des Prozesses sind (s. BGH GE 2019, 456 -bei juris Rn. 6; NJW 2015, 3173 Rn. 4; NJW 2014, 3100 Rn. 5).

B. Die Berufung ist - nachdem die Klägerin die Klage wegen eines über fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hinausgehenden Zinsanspruchs mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat - durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

I. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 13.06.2019, der folgenden Inhalt hat:

"1) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die von der Beklagten in der Klageerwiderung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen von zusammen 19.248,04 EUR nach §§ 390, 214 BGB unwirksam ist, weil die Voraussetzungen der §§ 215, 387 BGB - eine Aufrechnungslage vor Eintritt der Verjährung der Schadensersatzansprüche - nicht vorliegen.

Die von der Beklagten behaupteten Schadensersatzansprüche wegen Rückgabe der Mietsache in beschädigtem oder sonst nicht vertragsgemäßem Zustand sind ohne Rücksicht auf ihre nähere rechtliche Einordnung nach § 548 BGB mit Ablauf des 15.06.2016 verjährt. Dies hat das Landgericht zutreffend zugrunde gelegt und wird von der Beklagten mit der Berufung im Übrigen auch ausdrücklich nicht angegriffen.

Weiterhin hat das Landgericht zutreffend erkannt und wird von der Berufung nicht in Frage gestellt, dass die Anwendung von § 215 BGB voraussetzt, dass vor Eintritt der Verjährung ein Zahlungsanspruch...

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