Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 07.05.2012; Aktenzeichen (509) 286 Js 3642/11 Ls Ns (12/12))

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Mai 2012 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Jugendschöffengericht Tiergarten hat den Angeklagten am 24. Januar 2012 der gefährlichen Körperverletzung, Körperverletzung und Beleidigung sowie des Diebstahls und Erschleichens von Leistungen in drei Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihm die Auflage erteilt, binnen dreier Monate ab Rechtskraft des Urteils 80 Stunden Freizeitarbeiten nach näherer Anweisung durch die Jugendgerichtshilfe abzuleisten und auf diese Weise ein Schmerzensgeld von 400 Euro zugunsten des Zeugen B. zu erarbeiten. Dem Schuldspruch liegen - neben drei Fahrten des Angeklagten mit der Berliner U-Bahn im Mai und Juli 2010 sowie April 2011 ohne Zahlung des Entgelts - die vom Landgericht wie folgt dargestellten Sachverhalte zugrunde:

"Zu einem nicht genau bestimmbaren Tatzeitpunkt im Zeitraum zwischen November 2010 und März 2011 färbte der Angeklagte J, indem er einem gemeinsamen Tatplan mit weiteren unbekannt gebliebenen Mittätern folgte, in der von ihm damals bewohnten Wohngemeinschaft in der ...straße in Berlin dem ebenfalls dort wohnenden Zeugen B, der geistig leicht zurückgeblieben ist und deswegen unter Betreuung steht, gegen dessen Willen die Haare und die Augenbrauen pink und besprühte dessen Gesicht mit einer silbernen Chromfarbe. Währenddessen wurde der Zeuge von den unbekannten Mittätern festgehalten, so dass er sich nicht wehren konnte. Der Zeuge erlitt durch die Farbe eine Augenreizung.

Am 28. Januar 2011 versetzte der Angeklagte J dem Zeugen B nach einer vorangegangenen verbalen Auseinandersetzung, in der es darum ging, dass der Angeklagte J dem Zeugen vorwarf, seine damalige Freundin 'begrapscht' zu haben, in Verletzungsabsicht einen heftigen Kopfstoß, wodurch dieser einen Nasenbeinbruch erlitt.

Ebenfalls im Zeitraum zwischen November 2010 und März 2011 fertigte der Angeklagte J von den (...) beschriebenen körperlichen Verunstaltungen des Zeugen B Bilder und veröffentlichte diese zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in dem genannten Zeitraum im Internet bei Jappy.de. Dazu setzte er den Kommentar: 'M, die holländische Nutte', um den Zeugen weiter zu demütigen und in seiner Ehre zu verletzen. Der Angeklagte J ging zutreffend davon aus, dass sich der Zeuge diese Bilder später anschauen würde.

Am 9. Juli 2011 waren die Angeklagten J und S in Berlin-F und wollten den Heimweg nach N antreten. In der Absicht, diesen zu beschleunigen, nahm gegen 3.50 Uhr zunächst der Angeklagte J im Bereich der ...straße ein vom Berechtigten unangeschlossen abgestelltes blaues Damenfahrrad mit der Nummer SJ1181 an sich, um damit zumindest bis zur nächsten S-Bahn-Haltestelle zu fahren. Der Angeklagte J hatte vor, das Fahrrad dort abzustellen und es nicht wieder zu seinem Fundort zurückzubringen".

Auf die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft Berlin hat die Jugendkammer gegen den Angeklagten wegen schädlicher Neigungen eine Jugendstrafe von sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung sie zur Bewährung ausgesetzt hat.

1. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat (vorläufigen) Erfolg, weil der noch zu überprüfende Rechtsfolgenausspruch des landgerichtlichen Urteils rechtlicher Überprüfung nicht standhält.

a) Die Entscheidung für eine der im Jugendgerichtsgesetz vorgesehenen Sanktionen unterliegt zwar grundsätzlich dem Ermessen des Tatrichters. Denn nur er ist in der Lage, sich in der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von der Tat und der Täterpersönlichkeit zu verschaffen und auf dieser Grundlage die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Gemäß den für die Überprüfung der Strafzumessung nach den allgemeinen Vorschriften geltenden Maßstäben und aufgrund der Besonderheiten des Jugendstrafrechts beschränkt sich die Prüfung durch das Revisionsgericht daher auf Rechtsfehler und die Beachtung des im Jugendstrafrecht vorrangigen Erziehungsgedankens. Jedoch muss der Tatrichter seine Zumessungserwägungen in einem die Nachprüfung ermöglichenden Umfang darlegen; dabei ist zu berücksichtigen, dass § 54 Abs. 1 JGG eine gegenüber § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO erweiterte Begründungspflicht enthält. Erforderlich sind danach eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Biographie des Angeklagten, eine Bewertung der Tat im Zusammenhang mit den Lebensverhältnissen des Angeklagten sowie die Begründung der hiernach unter Berücksichtigung ihrer Eingriffsintensität erforderlichen Rechtsfolgen, wobei die Anforderungen an die Begründung tendenziell mit der Eingriffsintensität de...

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