Leitsatz

Der deutliche Hinweis des gegnerischen Anwalts, die Klagebegründung sei nicht rechtzeitig eingereicht, kann die Kenntnis von der Versäumung des § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG begründen.

 

Normenkette

§§ 233, 234 ZPO; § 46 WEG

 

Das Problem

  1. Ein Wohnungseigentümer beauftragt einen Rechtsanwalt, eine Anfechtungsklage zu erheben. Der Rechtsanwalt verpasst die Klagebegründungsfrist. Der Rechtsanwalt beantragt daher für den Wohnungseigentümer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Amtsgericht verwirft den Antrag als unzulässig. Der Wohnungseigentümer nimmt daraufhin auf richterlichen Hinweis persönlich die Klage zurück und gleicht die Kosten der Beklagten aus.
  2. Ferner klagt der Wohnungseigentümer jetzt gegen den Rechtsanwalt auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren. Der Wohnungseigentümer wirft ihm vor, den Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt zu haben. Das Amtsgericht gibt der Klage statt. Das Landgericht bestätigt das Amtsgericht insoweit. Zwar treffe einen Rechtsanwalt grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Umstände die Pflicht, Erkundigungen über den Eingang seines Schriftsatzes bei Gericht einzuholen. Nach Erhalt der eindeutig und ernsthaft formulierten Klageerwiderung am 24.11.2011, in welcher auf die fehlende Begründung der Klage hingewiesen worden sei, hätte es dem Rechtsanwalt jedoch oblegen, Nachforschungen anzustellen. Der am 15.12.2011 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei daher nicht innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt worden. Gegen diese Beurteilung legt der Rechtsanwalt Revision ein.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Auch nach Ansicht des BGH hat der Rechtsanwalt schuldhaft seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Mit Zugang des Schriftsatzes der Gegenseite habe der klagende Wohnungseigentümer Kenntnis von der Fristversäumung gehabt. Der in der Klageerwiderung enthaltene Antrag, die Klage aufgrund der nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erfolgten Begründung abzuweisen, sei eindeutig formuliert und auch bei nur oberflächlicher Durchsicht des Schriftsatzes sofort zu erkennen und in seinem Sinngehalt ohne weitere inhaltliche Prüfung zu erfassen gewesen. Angesichts der Bedeutung der Ausschlussfrist hätte der Rechtsanwalt unverzüglich nach Erhalt des Schriftsatzes bei Gericht nachfragen müssen.
  2. Offen bleiben könne, ob der Rechtsanwalt die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagebegründungsfrist innerhalb der 2-Wochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO oder aber in der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO hätte beantragen müssen. Diese in der Literatur nicht einheitlich beantwortete Frage (Hinweis unter anderem auf Dötsch, NZM 2008, S. 309, 312 und Elzer in Timme, WEG, 2015, § 46 Rn. 197) sei bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden. Angesichts dieser offenen Rechtslage habe B nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Gerichte im Ausgangsverfahren bei der Entscheidung über seinen Wiedereinsetzungsantrag die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zugrunde legen würden.
 

Kommentar

Anmerkung

Ein Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht gehalten, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen. Liegt jedoch ein konkreter Anlass vor, kann eine Nachfragepflicht begründet sein. Ergibt sich etwa aus einer Mitteilung des Gerichts, dass etwas fehlgelaufen ist, kann es so liegen. Einer solchen Mitteilung kann ein deutlicher Hinweis der anwaltlich vertretenen Gegenseite gleichstehen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter ist von Gesetzes wegen berechtigt, namens der beklagten Wohnungseigentümer (jedes einzelnen von ihnen) einer Anfechtungsklage mit einem Rechtsanwalt einen Anwaltsvertrag zu schließen. Die Vergütung schuldet weder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch der Verwalter, sondern allein der einzelne Wohnungseigentümer.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 24.9.2015, IX ZR 206/14

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