Rz. 1

In der herkömmlichen, vom Papier geprägten Rechtswelt spielt die eigenhändige Unterschrift eine überragende Rolle. Das Gesetz definiert sie nicht, sondern setzt sie in § 126 BGB als einen in seinen rechtlichen und soziokulturellen Wirkungen im Bewusstsein der Bevölkerung verwurzelten Begriff voraus.[1]

 

Rz. 2

Die Attraktivität des Schriftdokuments mit Unterschrift folgt sicherlich zunächst aus seiner in einer alphabetisierten und industrialisierten Gesellschaft leichten Verfügbarkeit sowie seiner Anpassungsfähigkeit an verschiedene Lebenssachverhalte. Sie liegt ferner in dem gesellschaftlichen Konsens, der ihm bestimmte Funktionen zuerkennt, von denen drei von besonderer Bedeutung sind:[2]

 

Rz. 3

Die Identitätsfunktion der Unterschrift führt auf die Person des Unterzeichners hin. Sie folgt aus der Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit der individuellen Handschrift, die sich auch im Namenszug ausdrückt.
Die Abschlussfunktion der Unterschrift umfasst das Einverständnis mit dem Inhalt und die Vollständigkeit des darüberstehenden Textes. Sie bürgt für die Authentizität der verkörperten Erklärung.
Die Beweisfunktion des Schriftdokuments erstreckt sich sowohl auf die Identität des durch die Unterschrift individualisierten Unterzeichners als auch auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung.
 

Rz. 4

Auch die GBO als Verfahrensgesetz greift auf das Modell der Schriftlichkeit zurück und ordnet in § 44 Abs. 1 S. 2 GBO für Eintragungen im Grundbuch die Unterschrift sogar von zwei Personen an. Nach § 130 Abs. 1 GBO gilt diese Vorschrift für Eintragungen im maschinellen Grundbuch verständlicherweise nicht. Mit § 75 GBV, der seit 1999 unverändert gilt, war jedoch ein Mechanismus zu schaffen, der den Funktionen von Schriftlichkeit und Unterschrift möglichst nahekommen soll. Für sich genommen ist der Begriff unscharf und der technische Vorgang wurde mit Einzug des ERV in die notarielle Praxis und den späteren Gesetzen durch den Terminus "elektronische Signatur" besser umschrieben.

 

Rz. 5

So sah auch § 75 GBV-E (Referentenentwurf DaBaGG) vor, den Begriff der elektronischen Unterschrift durch den heute gebräuchlichen Begriff der elektronischen Signatur zu ersetzen und wollte damit auch im Justizbereich für ein einheitliches Erscheinungsbild der zentralen Technologie des ERV sorgen. Da dabei aber die Frage der Qualität der elektronischen Signatur und insbesondere die bisher stets gewahrte Unterzeichnerabhängigkeit[3] plötzlich in Frage gestellt wurde – die Rede war von einer bloßen Behördensignatur – beließ es der Gesetzgeber bei der bisherigen Formulierung. An der hohen inhaltlichen Qualität der "elektronischen Unterschrift" wollte der Gesetzgeber auch des DaBaGG nämlich nichts ändern. Dies wird auch daran deutlich, dass auf die Regelung in § 75 GBV Bezug genommen wird und dort dann von elektronischer Signatur die Rede ist: Handelsregisterverordnung (HRV), Verordnung vom 12.8.1937;[4] zuletzt geändert durch Artikel 123 Abs. 1 Gesetz v. 8.7.2016,[5] § 28 HRV (Elektronische Signatur) und die Vereinsregisterverordnung (VRV), Artikel 1 Verordnung vom 10.2.1999;[6] zuletzt geändert durch Artikel 6 Gesetz vom 24.9.2009,[7] § 28 VRV (Elektronische Registersignatur).

[1] Zum Ganzen vgl. Püls, DNotZ 2002, Sonderheft, 168 m.w.N.
[2] Zu weiteren Funktionen und ihrem Bedeutungszusammenhang vgl. Grüneberg/Ellenberger, § 125 Rn 1, Bettendorf, XX. Internationaler Kongress des Lateinischen Notariats – Berichte der deutschen Delegation, EDV-Dokumente und Rechtssicherheit, Bundesnotarkammer (Hrsg.) 1992, 48.
[3] Vgl. Meikel/Dressler-Berlin, GBV § 75 Rn 25.
[4] RMBl 1937, 515.
[5] BGBl I 2016, 1594.
[6] BGBl I 1999, 147.
[7] BGBl I 2009, 3145.

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