Rz. 2

Der materielle Publizitätsgrundsatz mit seinen Vermutungs- und Gutglaubensschutzwirkungen (§§ 891, 892, 893 BGB) setzt voraus, dass das Grundbuch in weitgehendem Maße der Einsicht durch die am Rechtsverkehr Teilnehmenden unterliegt. Die materiell-rechtliche Zurechnung des Buchinhaltes ist nur gerechtfertigt, wenn das Verfahrensrecht die Möglichkeit einräumt, das Grundbuch einzusehen und sich dadurch Gewissheit über die den materiellen Rechtsvorgang beeinflussenden Eintragungen zu verschaffen (formelles Publizitätsprinzip).[3] Andererseits darf aber nicht verkannt werden, dass durch die Einsicht Dritter der Grundstückseigentümer nicht unbeträchtlich betroffen werden kann. Insbesondere durch das mit dem Recht auf Bucheinsicht korrespondierende Recht auf Akteneinsicht (vgl. § 46 GBV Rdn 2) und auf Einsicht in nicht erledigte Eintragungsanträge[4] können Kenntnisse über schuldrechtliche Vereinbarungen aller Art, über Zahlungsverpflichtungen und deren Modalitäten erlangt werden. Eine auf den Schutz der Individualsphäre des einzelnen bedachte Rechtspraxis wird daher dafür zu sorgen haben, dass eine zu großzügige Interpretation des § 12 auf eine sachgerechte Abwägung der oft widerstreitenden Interessen zurückzuführen ist. Wesentlich für eine Bewältigung des Wertungsproblems ist die klare Erkenntnis, dass das Grundbuch keine allgemeine Auskunfts- u. Informationseinrichtung für Personen mit noch so berechtigten Interessen an bestimmten Fragen ist. Der Zusammenhang mit der materiellen Publizität macht deutlich: Nur wer in Bezug auf das im Buch Verlautbarte rechtlich(!) zu handeln beabsichtigt, bedarf der Einsicht und hat ein Recht auf sie. Jedes andere, noch so ehrenwerte und anerkennenswerte Interesse (insbes. journalistische Recherchen) ist hier nachrangig; eine nahezu grenzenlos nachgiebige Rspr. verkennt häufig den Sinn und Zweck der Norm. Gleichwohl werden durch die Rechtsprechung Gründe anerkannt, die ein Einsichtsrecht in das Grundbuch im öffentlichen Interesse rechtfertigen (eingehend "Presse" vgl. Rdn 3, 9).[5]

[3] Meikel/Böttcher, § 12 Rn 2; Melchers, Rpfleger 1993, 309; Schreiner, Rpfleger 1980, 51.
[4] Demharter, § 12 Rn 1.
[5] KG FGPrax 2004, 58 = Rpfleger 2004, 346; Demharter, § 12 Rn 7; Hügel/Wilsch, § 12 Rn 2; Lemke/Schneider, § 12 Rn 1, 12; strenger dagegen OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 258 = Rpfleger 1997, 258; OLG Karlsruhe ZEV 2009, 42; Meikel/Böttcher, § 12 Rn 7.

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