Rz. 15

Nicht vom Geschäftsfähigkeitsstatut, sondern vom Wirkungsstatut des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts ist zu entscheiden, ob und welcher Grad von Geschäftsfähigkeit zu seinem Abschluss erforderlich ist.[40] Dasselbe gilt für den Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsfähigkeit vorliegen muss.[41] Sind für bestimmte Rechtsgeschäfte besondere Geschäftsfähigkeiten normiert, gilt insoweit ebenfalls nicht das Geschäftsfähigkeitsstatut.[42] Deshalb unterfällt z.B. die Fähigkeit zum Abschluss von Eheverträgen dem Güterrechtsstatut (Art. 25 EuGüVO), die Fähigkeit zur Errichtung von Testamenten und dem Abschluss von Erb- oder Erbverzichtsverträgen dem Erbstatut (EuErbVO), soweit in diesen Rechten Sonderregeln gegenüber der allgemeinen Geschäftsfähigkeit vorgesehen sind.[43]

 

Rz. 16

Ob jemand Verfügungsmacht über ein bestimmtes Recht besitzt, stellt ebenfalls keine Frage der Geschäftsfähigkeit dar, sondern ist grundsätzlich nach dem Wirkungsstatut zu bestimmen, da es sich um einen Mangel an Recht, nicht aber an Geschäftsfähigkeit handelt.[44] Die Frage der Verfügungsmacht richtet sich nach der Rechtsordnung, der das zu verfügende Recht unterfällt.[45] Soweit sich Verfügungsbeschränkungen aus anderen Rechtsbereichen ergeben (z.B. Familienrecht, Erbrecht, Insolvenzrecht) unterliegen sie dem Recht, welches auf diese Bereiche anzuwenden ist.

 

Rz. 17

Die Verfahrensfähigkeit, also die Fähigkeit, Verfahrenshandlungen wirksam selbst vorzunehmen oder entgegenzunehmen, richtet sich im Ausgangspunkt nicht nach Art. 7 EGBGB, weil insoweit eine verfahrensrechtliche Frage vorliegt.[46] Dies gilt auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch im Grundbuchverfahren, dort insbesondere hinsichtlich von Bewilligungen und Anträgen als Verfahrenshandlungen.[47] Dabei gilt für die Beurteilung der Verfahrensfähigkeit im deutschen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch im Grundbuchverfahrensrecht § 9 FamFG, dessen Abs. 5 auf §§ 5358 ZPO und damit auch auf § 55 ZPO verweist. Gleichwohl ist fraglich und umstritten, in welcher Weise angeknüpft werden soll.[48] Es werden hierzu mehrere Ansichten vertreten. Eine Rechtsansicht knüpft an die lex fori an, stellt also für Verfahren vor den deutschen Gerichten auf das inländische Verfahrensrecht ab. Dieses (§§ 51 Abs. 1 ZPO und 9 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) greift für die Beurteilung der Verfahrensfähigkeit auf die Geschäftsfähigkeit nach materiellem Recht zurück. Insoweit muss von dieser Ansicht konsequenterweise auf Art. 7 Abs. 2 S. 1 EGBGB abgestellt werden und damit im Ergebnis auf das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Beteiligten.[49] Führt die Verweisung nicht zur Prozessfähigkeit bzw. Verfahrensfähigkeit, kann diese über § 55 ZPO hergeleitet werden. Hiernach gilt als prozessfähig, wem nach dem Recht des Prozessgerichts die Prozessfähigkeit zustehen würde. Insoweit ist zunächst eine Beurteilung anhand des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltes des Betroffenen vorzunehmen. Führt diese nicht zur Prozessfähigkeit bzw. Verfahrensfähigkeit, dann ist nach inländischem Recht zu beurteilen, ob Geschäftsfähigkeit gegeben wäre und damit Prozessfähigkeit bzw. Verfahrensfähigkeit.

[40] AG Hildesheim IPRspr 73 Nr. 94; Grüneberg/Thorn, BGB, Art. 7 Rn 5; Erman/Hohloch, BGB, Art. 7 Rn 13; Soergel/Kegel, BGB, Art. 7 EGBGB Rn 8; a.A. für den erforderlichen Grad an Geschäftsfähigkeit: Schotten/Schmellenkamp, IPR, Rn 61; Staudinger/Hausmann, BGB, Art. 7 EGBGB Rn 43.
[41] Soergel/Kegel, BGB, Art. 7 EGBGB Rn 11.
[42] MüKo-BGB/Lipp, Art. 7 EGBGB Rn 16 ff.; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, Rn 6164.
[43] MüKo-BGB/Lipp, Art. 7 EGBGB Rn 17; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, Rn 6168.
[44] MüKo-BGB/Lipp, Art. 7 EGBGB Rn 70; Soergel/Kegel, BGB, Art. 7 EGBGB Rn 8.
[45] Siehe Hausmann/Odersky/Hausmann, § 4 Rn 52; Staudinger/Hausmann, BGB, Art. 7 EGBGB Rn 80; Soergel/Kegel, BGB, Art. 7 EGBGB Rn 8.
[46] Grüneberg/Thorn, BGB, Art. 7 Rn 4; Meikel/Hertel, Einl. G Rn 1, 2.
[47] Vgl. BayObLGZ 2002, 99, 101; Meikel/Hertel, Einl. G Rn 1, 2.
[48] Meikel/Hertel, Einl. G Rn 2.
[49] Meikel/Hertel, Einl. G Rn 2.

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