Rz. 24

Maßgebend für die Ermittlung des Rechts der Vertretung Minderjähriger durch deren Eltern ist das materielle Recht, nicht das Verfahrensrecht.[66] Bei der Feststellung des Rechts, nach dem sich die Befugnis zur Vertretung Minderjähriger entscheidet, spielen internationale Abkommen eine ganz erhebliche Rolle, so dass das autonome deutsche Kollisionsrecht weitestgehend verdrängt wird.[67] Im Verhältnis zum Iran ist insoweit beachtlich Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 (RGBl 30 II S. 1006), wonach iranisches Recht dann zur Anwendung kommt, wenn beide Eltern bzw. der überlebende Elternteil und das Kind ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen.[68]

 

Rz. 25

Seit 1.1.2011 (Inkrafttreten) gilt für Deutschland das Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) vom 19.10.1996.[69] Es erfasst in persönlicher Hinsicht Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs (Art. 2 KSÜ) und sachliche Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes (Art. 1 Abs. 1 lit. a KSÜ), wozu nach Art. 3 lit. a KSÜ auch die Zuweisung, Ausübung und Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren Übertragung zu rechnen ist. Ist ein Staat nach Art. 5 ff. KSÜ (bzw. der auch insoweit vorrangigen EheVO 2003, siehe Rdn 26)[70] für eine solche Maßnahme zuständig, so wendet er darauf grundsätzlich sein eigenes Sachrecht an, vgl. Art. 15 KSÜ. Anders als das Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA) enthält das KSÜ auch eine Kollisionsnorm über die kraft Gesetzes bestehende elterliche Verantwortung, die nach Art. 16 KSÜ dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes unterstellt wird. Nach Art. 21 Abs. 1 KSÜ handelt es sich grundsätzlich um eine Sachnormverweisung. Nur dann, wenn die Verweisung auf das Recht eines Nichtvertragsstaates erfolgt und dieses auf das Recht eines anderen Nichtvertragsstaates weiterverweist, welches die Verweisung annimmt, ist dieser renvoi beachtlich und das Recht des zweiten Nichtvertragsstaates anzuwenden, Art. 21 Abs. 2 KSÜ.

 

Rz. 26

Das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) vom 5.10.1961[71] war anzuwenden (es wird nun weitgehend durch das KSÜ ersetzt, vgl. Art. 51 KSÜ), wenn ein Minderjähriger im Sinne des Art. 12 MSA seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hatte, Art. 13 MSA, ohne dass es auf dessen Staatsangehörigkeit ankäme.[72] Auf die Vertretung durch die Eltern aufgrund gesetzlichen Sorgerechts war es aber nicht anwendbar, weil Art. 3 MSA nach h.M. keine selbstständige Kollisionsnorm ist.[73] Das MSA spielte aber dann eine Rolle, wenn eine behördliche oder gerichtliche Sorgerechtsentscheidung, etwa anlässlich einer Ehescheidung, getroffen wird. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen im Sinne des Art. 1 MSA. Zuständig für solche Maßnahmen sind nach Art. 1 MSA die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings werden die Zuständigkeitsregeln des MSA weitestgehend durch die EheVO 2003 verdrängt (vgl. Art. 60 lit. a EheVO 2003) wobei Art. 8 Abs. 1 EheVO 2003 jedoch ebenfalls den Gerichten des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die Regelzuständigkeit zuweist. Sie wenden ihr innerstaatliches Recht an (Gleichlaufgrundsatz, Art. 2 MSA),[74] müssen aber bei Anordnung ihrer Maßnahme ein etwa nach dem Heimatrecht des Minderjährigen bestehendes Gewaltverhältnis, insbesondere also ein gesetzliches Sorgerechtsverhältnis, anerkennen[75] (Art. 3 MSA). Ob auch eine etwa für das Handeln der Eltern als gesetzliche Vertreter erforderliche familiengerichtliche Genehmigung eine "Schutzmaßnahme" im Sinne des MSA darstellt, ist umstritten.[76] Das MSA gilt heute nur noch im Verhältnis zur VR China, soweit die Sonderverwaltungsregion Macau betroffen ist.[77] Die Regelungen des MSA werden insoweit nicht durch das KSÜ verdrängt.

 

Rz. 27

Sonderregelungen über die Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen bestehen daneben in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und im Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (EheVO 2003 bzw. Brüssel IIa)[78] sowie in Art. 7 des Luxemburger Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechtsverhältnisses vom 20.5.1980,[79] wonach Sorgerechtsentscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, in jedem anderen Vertragsstaat anerkannt werden müssen.

[66] Meikel/Hertel, Einl. G Rn 12.
[67] Hausmann/Odersky/Hausmann, § 5 Rn 2.
[68] BGHZ 60, 68, 74; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 920; Dorsel, MittRhNotK 1997, 6, 14.
[69] Aktueller Vertragsstand unter www.hcch.net/eu/instruments/conventions/full-text, abgerufen am 8.8.2018; v...

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