Rz. 99

Die Gemeinschaftsordnung beinhaltet alle für das Verhältnis der WEer untereinander (Innenverhältnis) verbindlichen Regelungen für und gegen jeden WEer und Sondernachfolger. Sie wirken kraft Gesetzes, auch wenn ein Miteigentümer sie nicht kennt, an ihnen nicht mitgewirkt, gegen sie gestimmt, sich ihnen nicht rechtsgeschäftlich unterworfen hat oder diese Wirkungen gar nicht will. Sie hat die Wirkung eines "Statuts" wie die Satzung eines Vereins.[416] Dritte erhalten durch sie keinen unmittelbaren Anspruch.[417]

Die Gemeinschaftsordnung wird regelmäßig mit Begründung von WE nach § 3 WEG und insbes. nach § 8 WEG in der sog. Teilungserklärung festgelegt. Eine nachträgliche Änderung der Gemeinschaftsordnung bedarf als Inhaltsänderung der Zustimmung aller Miteigentümer sowie der dinglich Berechtigten am jeweiligen WE (§§ 877, 876 BGB) sowie der Grundbucheintragung.[418] Die Eintragung einer Änderung in das Grundbuch erfolgt auf Bewilligung aller Miteigentümer und dinglich Berechtigter, notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich, es genügt die Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO.[419] Eine Änderung der Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss wirkt bestenfalls schuldrechtlich zwischen den zustimmenden Eigentümern, bindet die Eigentümer, die nicht zugestimmt haben, aber nicht; erst recht wirkt sie nicht gegen Rechtsnachfolger. Allerdings gestattet das WEG an vielen Stellen Änderungen der Gemeinschaftsordnung mit qualifizierten Mehrheiten der Eigentümerversammlung, bspw. zur Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG oder zu den Kosten einer baulichen Veränderung nach § 21 Abs. 2 WEG

 

Rz. 100

Die Gemeinschaftsordnung besteht aus:[420]

Zwingenden Vorschriften der §§ 10 ff. WEG;
Rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen, die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind (§ 10 Abs. 3 WEG);
Beschlüssen der WEer gem. § 23 WEG und ihnen gleichstehenden Entscheidungen des Gerichts gem. § 44 WEG, insbes. bei sog. Beschlussersetzungsklagen;
Abdingbaren gesetzlichen Vorschriften der §§ 10 bis 29 WEG;
Subsidiär geltenden gesetzlichen Vorschriften der §§ 742 ff. BGB. Diese werden durch die Anerkennung der WEG-Gemeinschaft als rechtsfähigem Verband weitgehend durch §§ 9a ff. WEG verdrängt.[421]
 

Rz. 101

Nicht zur Gemeinschaftsordnung gehören die nicht im Grundbuch eingetragenen schuldrechtlichen Regelungen (§§ 746 ff. BGB) und die dinglichen Vereinbarungen mit absoluter sachenrechtlicher Wirkung, z.B. § 5 Abs. 3 WEG. Die Veräußerung von Teilen des gemeinschaftlichen Grundstücks betrifft die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft. Sie stellt daher keine Verwaltung i.S.v. §§ 18, 19 WEG dar und kann weder Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses und auch nicht Gegenstand einer Vereinbarung im Sinne der Gemeinschaftsordnung sein.[422]

 

Rz. 102

Zwischen Vereinbarungen und Beschlüssen ist zu unterscheiden:[423]

Durch Vereinbarungen werden Angelegenheiten geregelt, die sachenrechtlich das Gemeinschaftseigentum, insbes. Veränderungen, betreffen. Sie werden einstimmig durch alle Miteigentümer gefasst. Typische Fälle einer Vereinbarung sind die Begründung von Sondernutzungsrechten am Gemeinschaftseigentum oder die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum. Vereinbarungen wirken gegen den jeweiligen Sonderrechtsnachfolger nur, wenn sie aufgrund einer Bewilligung aller WEer ins Grundbuch eingetragen worden sind (§ 10 Abs. 3 WEG); ohne Eintragung auch dann nicht, wenn sie dem Sondernachfolger bekannt sind.

Beschlüsse werden mit Mehrheit der WEer in einer Versammlung (§§ 23 ff. WEG) gefasst, die Gegenstände einer Beschlussfassung ergeben sich wesentlich aus §§ 19, 20 WEG.[424] Bei der Beschlussfassung hat nach § 25 Abs. 2 S. 1 WEG grundsätzlich jeder Miteigentümer eine Stimme, auch wenn ihm mehrere WE oder TE gehören. Abweichend wird in Gemeinschaftsordnungen das Stimmrecht häufig nach der Größe des Miteigentumsanteils in Anlehnung an § 16 Abs. 2 WEG bestimmt. Die Stimmenmehrheit kann durch die Subtraktionsmethode ermittelt werden, wenn für den Zeitpunkt der Abstimmung die Anzahl der anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und – bei Abweichung vom Kopfprinzip – auch deren Stimmkraft feststeht.[425] Wird gemäß der Teilungserklärung die Vertretung der Wohnungseigentümer, die nicht anwesend und auch nicht anderweitig vertreten sind, vom Verwalter ausgeübt, so führt dies auch bei "einstimmigem Beschluss" nicht zu einer Vereinbarung.[426] Beschlüsse der Wohnungseigentümer und gerichtliche Entscheidungen (§ 44 WEG) hierzu entfalten Wirkung auch ohne Grundbucheintrag gegen den Sonderrechtsnachfolger; sie können auch nicht eingetragen werden.[427]

 

Rz. 103

Werden Gegenstände, die einer Vereinbarung bedürfen,[428] durch Beschluss geregelt und nicht innerhalb der Monatsfrist des § 45 WEG angefochten (sog. Pseudo-Vereinbarung), sollten sie nach früherer Rechtslage auch gegen Sonderrechtsnachfolger wirken.[429] Die Frage, ob ein Sondernutzungsrecht durch eine solche Pseudo-Vereinbarung begründet werden kann, verneint...

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