Leitsatz

Der BGH hat entschieden, dass die organschaftliche Zurechnung der Vereinfachung der Steuererhebung dient; wirtschaftlich bleibt es jedoch bei der Zuordnung der Erstattungsansprüche zu den einzelnen Gesellschaften. Die Muttergesellschaft (Organträger) ist daher verpflichtet, Vorsteuerbeträge, die ihr aufgrund der Organschaft zustehen, an die betreffenden Organgesellschaften auszukehren.

 

Sachverhalt

Geklagt hatte eine Aktiengesellschaft, an der die Beklagte mit 75,03% beteiligt war. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag bestand nicht. Die Klägerin war jedoch zeitweise gem. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG in einer umsatzsteuerlichen Organschaft in das Unternehmen der Beklagten eingegliedert. Aus den Umsätzen der Klägerin ergab sich ein Vorsteuerüberschuss von 123.253,90 EUR. Nach interner Mitteilung der Klägerin gab die Beklagte als Organträgerin Umsatzsteueranmeldungen beim Finanzamt ab und vereinnahmte u.a. den Vorsteuerüberschuss der Klägerin, den diese mit der Klage herausverlangte.

 

Entscheidung

Der BGH gab der Klage statt. Der Organgesellschaft stehe ein Anspruch auf Erstattung der Vorsteuerabzugsbeträge gegenüber der Organträgerin zu. Die Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft seien lediglich formeller, der Abwicklung des Steuerverhältnisses dienender Natur. Hierdurch ändere sich nichts an der grundsätzlichen Zuordnung der Erstattungsansprüche zu der Gesellschaft, bei der die Umsätze tatsächlich getätigt wurden. Der BGH rekurriert auf frühere Entscheidungen, aus denen sich im umgekehrten Fall eine Ausgleichspflicht der verursachenden Organgesellschaft für durch Organträger gezahlte Umsatzsteuerbeträge ergebe (BGH, NJW-RR 2004, 474; BGH, NJW 1993, 585). Diese Zuordnung müsse auch beim Ausgleich von Vorsteuerabzügen berücksichtigt werden. Eine von dieser Zuordnung abweichende Vereinbarung - die der BGH aus revisionsrechtlichen Gründen unterstellte - sei als nachteiliges Rechtsgeschäft gem. § 317 AktG anzusehen, weshalb der Organträger jedenfalls im Wege des Schadensersatzes ausgleichspflichtig sei. Nach dieser Vorschrift ist eine beherrschende Gesellschaft auch außerhalb des Vertragskonzerns zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie eine beherrschte Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften veranlasst, ohne den Nachteil auszugleichen.

 

Hinweis

Während das Berufungsgericht noch einen Bereicherungsanspruch der Organgesellschaft gesehen hatte, stützt der BGH den Anspruch wohl auf eine analoge Anwendung der §§ 430, 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Klar geworden ist die Anspruchsgrundlage leider nicht. Es kann nur festgehalten werden, dass der Organträger außerhalb des Vertragskonzerns stets zum internen Vorsteuerausgleich verpflichtet ist. Abweichende Vereinbarungen unterfallen § 317 AktG. In seiner Entscheidung scheint der BGH zu übersehen, dass sich aus der organschaftlichen Zurechnung von Umsätzen auch Steuervorteile ergeben können (z.B. bei Leistungsverkehr zwischen Konzerngesellschaften, die nach außen umsatzsteuerfreie Umsätze erbringen). Wem diese ggf. zustehen, ist jedenfalls offen geblieben.

Klarheit kann eine Konzernumlagevereinbarung schaffen, die z.B. neben Umsatzschuld und Vorsteueransprüchen auch konzernweiten Verwaltungsaufwand den einzelnen Gesellschaften zuordnen kann. Auf die Konzernumlage selbst fällt bei Bestehen einer Organschaft keine Umsatzsteuer an. Alternativ kann die Ausgleichspflicht (in beide Richtungen) auch durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag geregelt werden, da jeder Ausgleich insoweit in der Gewinnabführung bzw. dem Verlustausgleich enthalten ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 29.01.2013, II ZR 91/11

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