Leitsatz

Keine Verwirkung des Beschlussanfechtungsrechts bei später (hier: erst 1 Jahr späterer) Antragsbegründung

 

Normenkette

§§ 23 Abs. 4 Satz 2, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG; § 270 Abs. 3 ZPO a.F.; § 167 ZPO n.F.; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG ist eine materielle Ausschlussfrist. Insoweit sind die Grundsätze der §§ 270 Abs. 3 ZPO a.F. bzw. 167 ZPO n.F. analog anwendbar. Die Anfechtungsfrist wird mit Einreichung eines Antrags bei Gericht gewahrt, soweit der Antrag hinreichend bestimmt ist und eine Zustellung"demnächst" erfolgt. Vorliegend wurde auch rechtzeitig ein Kostenvorschuss einbezahlt; allerdings erfolgte eine Zustellung des Antrags an die Verwaltung erst etwa 1 Jahr später. Die Ursache hierfür lag ausschließlich im Geschäftsgang des Amtsgerichts. Der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts zurückzuführende Zeitraum ist hier nicht auf den Zeitraum anzurechnen, der im Zusammenhang mit der Frage maßgeblich ist, ob eine Zustellung noch "demnächst" erfolgt ist (BGH v. 20.4.2000, VII ZR 116/99, NJW 2000, 2282).
  2. Vorliegend wurde auch eine Verwirkung des Beschlussanfechtungsrechts verneint, obgleich der anfechtende Wohnungseigentümer seinen Antrag zwar fristgerecht bei Gericht eingereicht, dann aber trotz Anforderung des Gerichts über einen längeren Zeitraum (hier: ebenfalls etwa 1 Jahr) nicht begründet hat. Hinsichtlich der Verwirkung eines Anfechtungsrechts ist Zurückhaltung geboten, damit nicht auf diesem Wege Befristungen eingeführt werden, die das Gesetz nicht vorsieht. Im Übrigen reicht ein bloßer Zeitablauf für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs in Form der Verwirkung einer formalen Rechtsposition ohnehin nicht aus. Vielmehr muss im Rahmen des "Umstandsmoments" eine schutzwürdige Vertrauensposition der von der Beschlussanfechtung betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaft "etwa in Gestalt getroffener Vermögensdispositionen" hinzukommen. Vorliegend wurden hier von den Tatsacheninstanzgerichten keine konkreten Feststellungen getroffen.
  3. Im Übrigen muss ein Antragsteller vom Gericht bei einer Begründungsaufforderung auch darauf hingewiesen werden, dass er im Fall des nicht weiteren Betreibens des Verfahrens mit einer Antragsabweisung ohne sachliche Prüfung rechnen müsse. Ein solcher Hinweis ist wegen der weitreichenden Folgen einer Antragsabweisung unverzichtbar (h.M.).
 

Link zur Entscheidung

OLG Zweibrücken v. 7.7.2003, OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.07.2003, 3 W 81/03, ZWE 2003, 279

Anmerkung

Wer trotz gerichtlicher Aufforderung eine Beschlussanfechtung nicht einmal innerhalb eines Jahres seit Antragstellung begründet (ohne im konkreten Fall entschuldbar daran gehindert zu sein), hat m. E. sein Recht bzw. die weitere Verfolgungsmöglichkeit seines Rechts verwirkt. Um Streit hierüber zu verhindern, sollte ein Amtsgericht auch in angemessen kurzer Zeit (etwa spätestens 3 bis 4 Monate nach Antragstellung) eine Anfechtungsstreitsache zur Sühneverhandlung terminieren, was den Antragsteller auch zu einer rechtzeitigen Antragsbegründung zwingen dürfte, will er nicht prozessuale Nachteile erleiden. Es ist m. E. ein Gebot der Rechtssicherheit (für eine Gemeinschaft/einen Verwalter), dass möglichst bald zur Gültigkeit (Ungültigkeit) von Beschlüssen Schwebezustände vermieden werden!

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