Leitsatz

  1. Keine Vermutung der Richtigkeit der Verbrauchswerte von Wärmemengenzählern, wenn deren Eichgültigkeit abgelaufen ist
  2. Macht die Gemeinschaft Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter wegen falscher Heizkostenverteilung geltend, muss sie die Unrichtigkeit der Abrechnung beweisen; ob sich der Verwalter seinerseits auf Ablesewerte ungeeichter Zähler berufen kann, bleiben offen
  3. Stellt ein Verwalter in der Eigentümerversammlung ohne ausreichende Überprüfung Behauptungen auf, haftet er auf Schadensersatz, wenn Eigentümer deshalb einen nachteiligen Beschluss fassen (hier: zur Beseitigung von Nässeproblemen an den Fenstern im Fall einer Testsanierung)
 

Normenkette

§ 27 WEG; § 280 BGB; §§ 1 und 9a Heizkostenverordnung; §§ 19, 25 Eichgesetz

 

Kommentar

  1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Streit nach früherem Recht zu behandeln, in materieller Hinsicht ist jedoch neues Recht anzuwenden (§ 62 WEG).
  2. Der Ablauf einer Eichfrist führt nicht dazu, dass die festgestellten Werte ohne jegliche Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil v. 17.11.2010, VIII ZR 112/10, IMR 2011 S. 46). Allerdings kommt die Vermutung der Richtigkeit bei einer Heizkostenabrechnung nur geeichten Messgeräten zu. Im Fall von abgelesenen Verbrauchswerten nicht mehr geeichter Messgeräte muss bei einer Abrechnung nach der Heizkostenverordnung die Richtigkeit der abgelesenen Werte zur Überzeugung des Tatrichters nachgewiesen werden. Diese Beweislastverteilung gilt jedoch nur für die Heizkostenabrechnung, insb. einer solchen zwischen Mieter und Vermieter.
  3. Geht es jedoch um Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflicht bei der Kostenverteilung, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass der Geschädigte (hier die Gemeinschaft) den Schaden darzulegen und ggf. zu beweisen hat. Kann Ablesewerten keine Aussagekraft beigemessen werden, muss hier die Gemeinschaft andere Tatsachen vortragen, aus denen sich ein Schadensersatzanspruch ergeben könnte. Ob sich hier der in Anspruch genommene Verwalter auf Messwerte berufen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da bereits seitens der Gemeinschaft keine ausreichenden Tatsachen für das Vorliegen eines bestimmten Schadens vorgetragen wurden. Auch Anhaltspunkte, die bei einer Ermittlung von Amts wegen (§ 12 FGG a.F.) einer derartigen Sachaufklärung führen könnten, sind nicht gegeben.
  4. Auch eine Anwendung nach § 9a Heizkostenverordnung (Ersatzverfahren) scheidet vorliegend aus. Dabei kann es dahinstehen, ob vorliegend bei beiden Parteien als Heizbetreiber die Heizkostenverordnung überhaupt Anwendung findet. Selbst wenn man dies bejahen sollte, läge ein Fall des § 9a Heizkostenverordnung nicht vor; eine unterlassene Eichung ist nämlich kein zwingender Grund im Sinne des § 9a Heizkostenverordnung (LG Köln, ZMR 2008 S. 460; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 11. Aufl. Rn. 6206h). Der Verwalter hätte also nicht unter Anwendung des § 9a Heizkostenverordnung abrechnen dürfen. Somit kann es nicht als Schaden angesehen werden, dass die Verwaltung weniger in Rechnung gestellt hat, als dies bei einer Abrechnung unter Anwendung des § 9a Heizkostenverordnung geschehen wäre.
  5. Hat die Verwaltung nach einer Testsanierung (Nässeschieneneinbau an einem Fenster) ohne eigene Überprüfung sozusagen "ins Blaue hinein"behauptet, dass ein solcher Test Erfolg hatte, kann von einer Pflichtverletzung des Verwalters gesprochen werden. Noch steht allerdings nicht fest, ob sich die Verwaltung durch Rückfragen bei dem betreffenden Eigentümer der Testmaßnahme oder durch eigene Beobachtung über den Erfolg der Maßnahme informiert hat. Offen ist auch, ob Erklärungen in der Versammlung allein durch einen Eigentümer erfolgten. Tatsachen müssen hier nach Rückverweisung noch vom Landgericht geklärt werden.

    Hat sich allein ein Eigentümer geäußert, fehlt es an einer pflichtwidrigen Handlung der Verwaltung. Andernfalls könnte eine Pflichtverletzung des Verwalters vorliegen, der stets zu sachgerechter und wahrheitsgemäßer Information der Wohnungseigentümer verpflichtet ist (Haftung zumindest dem Grunde nach). Ist davon auszugehen, dass eine Beschlussfassung der Gemeinschaft über weitergehende Sanierungsmaßnahmen ganz maßgeblich allein von der Darstellung eines Eigentümers beeinflusst wurde, schließt dies eine Kausalität der Erklärung des Verwalters nicht aus, wäre sie von ihm so abgegeben worden.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 13.01.2011, 32 Wx 32/10

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