Leitsatz

Zentrales Problem des Falles war die Frage, ob die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem nach Rechtskraft der Scheidung geborenen Kind des Unterhaltsschuldners die ehelichen Lebensverhältnisse seiner geschiedenen Ehe geprägt haben kann. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich der geschiedene Ehemann u.a. darauf berufen, aufgrund der Geburt von zwei Kindern aus einer weiteren Ehe weniger Ehegattenunterhalt für seine geschiedene Ehefrau zahlen zu müssen, da die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den beiden Kindern aus zweiter Ehe die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt habe.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren seit dem 8.8.2000 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Der Beklagte war in zweiter Ehe verheiratet und Vater zweier in den Jahren 2001 und 2004 geborener Kinder aus seiner zweiten Ehe.

Die gemeinsamen in den Jahren 1993 und 1995 geborenen Kinder wurden von der Klägerin in deren Haushalt betreut.

Die Klägerin hat Abänderung eines zu ihren Gunsten bestehenden Unterhaltstitels wegen - unstreitig erfolgter - erhöhter Einkünfte des Beklagten begehrt. Das AG hat der Abänderungsklage teilweise stattgegeben. Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung hat der Beklagte gerügt, zu Unrecht seien seine beiden Kinder aus zweiter Ehe bei der Bemessung des Bedarfs der Klägerin nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin hatte im Verhandlungstermin vor dem OLG Anschlussberufung eingelegt und eine weitergehende Erhöhung ihrer Unterhaltsansprüche für die Zeit ab April 2006 begehrt.

Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin verworfen.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG haben die nachehelich geborenen, nicht gemeinsamen Kinder, die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt. Die Unterhaltslast für aus einer neuen Verbindung hervorgegangene, nach rechtskräftiger Scheidung geborene Kinder, könne die ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten schon deshalb nicht mehr geprägt haben, weil sich diese für den Fall einer Wiederherstellung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft gar nicht darauf hätten einstellen können.

 

Hinweis

Mit seiner Entscheidung hat sich das OLG Celle kontrovers mit der Rechtsprechung des BGH auseinandergesetzt, dessen gefestigte Rechtsprechung war, dass bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten aus einer neuen Verbindung stammende Kinder im Rahmen der Bedarfsbemessung nur zu berücksichtigen waren, wenn sie zur Rechtskraft der Scheidung bereits geboren waren (BGH v. 20.10.1993 - XII ZR 89/92 = FamRZ 1994, 87).

Dies entsprach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt, die zunächst auf den Zeitpunkt der Scheidung bezogen werden. Mit seiner Entscheidung vom 15.3.2006 (BGH v. 15.3.2006 - XII ZR 30/04 = FamRB 2006, 198) hat der BGH in einer Entscheidung zum Trennungsunterhalt diese notwendige Bezugnahme auf die Altehe aufgegeben und entschieden, dass auch nach Rechtskraft der Scheidung das Hinzutreten weiterer vorrangiger oder gleichrangiger Unterhaltsberechtigter den Ehegattenunterhaltsbedarf mindere.

Der Entscheidung des OLG Celle ist zuzustimmen, da die BGH-Rechtsprechung kaum noch nachvollziehbar erscheint. Es ist nicht einzusehen, wo die Geburt des neuen Kindes in der geschiedenen Ehe noch ihren Ursprung gehabt haben soll. In der Praxis erscheint es daher sinnvoll, auf die ehelichen Lebensverhältnisse abzustellen und bei Einkommensverschlechterungen einen Bezug zur Altehe zu verlangen, zumal einige Oberlandesgerichte die Rechtsprechung des BGH zu diesem Problemkomplex außerordentlich kritisch betrachten.

 

Link zur Entscheidung

OLG Celle, Urteil vom 18.07.2007, 15 UF 236/06

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