Leitsatz

Das Eigentumsgrundrecht gibt dem Wohnungseigentümer die Befugnis, die Nutzung seines Wohnungseigentums aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung selbst zu bestimmen. Das umfasst vor allem auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob eine Überlassung der Nutzung an Dritte oder eine gemeinschaftliche Nutzung mit Dritten erfolgt.

 

Fakten:

Eine Wohnungseigentümerin leidet vorliegend unter einer sogenannten schizoaffektiven Psychose, die mit Verhaltensauffälligkeiten in Form von Weinen, Schreien und Hilferufen einhergeht. Mehrere der übrigen Wohnungseigentümer fühlen sich seit Jahren durch die Wohnungseigentümerin und deren Lebensgefährten in ihrer Nachtruhe gestört, da die Belästigungen gerade in Gegenwart des Lebensgefährten erheblich sind. Sie fassten in einer Wohnungseigentümerversammlung den Beschluss, dem Lebensgefährten der Wohnungseigentümerin ein Hausverbot zu erteilen. Die hiergegen von der Eigentümerin erhobene Klage wurde rechtskräftig auch in zweiter Instanz abgewiesen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt diese nun die Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat die angegriffenen Gerichtsentscheidungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Die Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Eigentumsgarantie nicht gerecht. Das Eigentumsgrundrecht gibt dem Wohnungseigentümer nämlich die Befugnis, die Nutzung seines Wohnungseigentums aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung selbst zu bestimmen. Das umfasst vor allem auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob eine Überlassung der Nutzung an Dritte oder eine gemeinschaftliche Nutzung mit Dritten erfolgt. Das beschlossene Hausverbot stellt jedenfalls letztlich die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung des Betretens und Verweilens in der Wohnung der Wohnungseigentümerin dar. Die Vorinstanzen hatten einen rechtfertigenden Grund für ein solches Hausverbot darin erblickt, dass das Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörte Nachtruhe die Interessen der psychisch kranken Wohnungseigentümerin überwiege. Das aber sehen die Verfassungsrichter anders. Des Weiteren wurde auch nicht ausreichend geprüft, ob gegebenenfalls auch mildere Mittel ausgereicht hätten, um den Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gerecht zu werden. Vorliegend war nicht einmal ersichtlich, ob die Wohnungseigentümer den Lebensgefährten der Wohnungseigentümerin überhaupt zur Einhaltung der nächtlichen Ruhe aufgefordert hatten. Erst wenn eine solche Aufforderung ohne Erfolg geblieben wäre und aufgrund der psychischen Erkrankung der Wohnungseigentümerin andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, kann ein Hausverbot nach verfassungsrechtlichen Maßstäben in Betracht kommen, wobei auch dann eine Beschränkung auf die nächtliche Ruhezeit naheliegt.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG, Beschluss vom 06.10.2009, 2 BvR 693/09BVerfG, Beschluss vom 6.10.2009 – 2 BvR 693/09

Fazit:

Selbstverständlich müssen die Wohnungseigentümer die nächtlichen Ruhestörungen, die in der Anwesenheit des Lebensgefährten der Wohnungseigentümerin begründet sind, nicht dulden. Zunächst einmal besteht in diesem Zusammenhang jedoch nur ein Anspruch auf Unterlassung der Störung und nicht auf das Verbot eines bestimmten Verhaltens. Dem Störer muss es nämlich grundsätzlich selbst überlassen bleiben, welche Mittel er einsetzt, um den Anspruch zu erfüllen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn lediglich eine konkrete Handlung oder Unterlassung geeignet ist, das störende Verhalten abzustellen. Die Eigentümer können den Lebensgefährten der Wohnungseigentümerin deshalb grundsätzlich nur auf das Unterlassen unzumutbarer Lärmbelästigungen in Anspruch nehmen, nicht jedoch von ihm verlangen, deren Wohnung nicht mehr zu betreten.

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