Leitsatz

Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, ob in einem Sorgerechtsverfahren eine zwangsweise Begutachtung eines Elternteils erfolgen kann.

 

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 1) war die Mutter des im Dezember 2000 nichtehelich geborenen Kindes. Sie lebte zunächst mit dem Kind im Haus ihrer Eltern. Nachdem es dort zu Auseinandersetzungen gekommen war, wandte sich die Mutter Anfang 2007 an das beteiligte Jugendamt. Von dort wurde in der zweiten Jahreshälfte 2007 eine Familienhilfe eingerichtet. Ab November 2007 wechselte die Mutter gemeinsam mit ihrem Kind mehrfach ihren Aufenthaltsort. Das Kind besuchte während dieser Zeit die Grundschule am jeweiligen Aufenthaltsort und blieb dem Schulunterricht ab dem 19.12.2007 unentschuldigt fern. Zur Jahreswende 2007/2008 hielt sich die Mutter mit dem Kind in Österreich auf. In der Folgezeit reiste sie mit ihm nach Bolivien.

Auf Anregung des Jugendamtes vom 20.12.2007 hat das FamG der Mutter mit Beschluss vom 21.12.2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Heilfürsorge und das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB VIII vorläufig entzogen. Aufgrund des Beschlusses hat das Jugendamt das Kind nach der Rückkehr aus Bolivien in Obhut genommen.

Die Mutter hat gegen den Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts Beschwerde eingelegt, die Mitwirkung an einer sachverständigen Begutachtung im Verlauf des Beschwerdeverfahrens jedoch verweigert. Das OLG hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben, weil eine Gefährdung des Kindes nicht mit Sicherheit festzustellen sei.

Hiergegen hat das Jugendamt Rechtsbeschwerde eingelegt.

 

Entscheidung

Die zugelassene Rechtsbeschwerde des beteiligten Jugendamtes führte zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil das OLG als Beschwerdegericht nach Ansicht des BGH seiner Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 12 FGG (jetzt § 26 FamFG) nicht genügt hatte. Zwar könne eine psychiatrische Begutachtung der Mutter weder nach § 1666 BGB noch nach §§ 12, 15 Abs. 1, 33 FGG erzwungen werden. Auch die Grundsätze der Beweisvereitelung könnten nicht herangezogen werden, weil die Weigerungshaltung der Mutter weder gegen Treu und Glauben verstoße noch nach allgemeinem Rechtsempfinden als verwerflich anzusehen sei.

Das OLG habe es jedoch versäumt, die Mutter in Gegenwart eines psychiatrisch und auch eines psychologischen Sachverständigen anzuhören und hierzu ihr persönliches Erscheinen anzuordnen sowie ggf. zu erzwingen. Die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei insoweit § 50e FGG i.V.m. dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Dieser Eingriff in ihre Rechte verstoße nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ergänzend könne der bereits tätig gewesene Sachverständige zu einer Begutachtung auf der Grundlage des gesamten Verfahrensstoffs, insbesondere des Verhaltens der Mutter anlässlich der begleiteten Umgangstermine veranlasst werden. Schließlich käme auch die Einholung eines neuen familienpsychologischen Gutachtens in Betracht. Hätte die Mutter einem erneuten psychologischen Gutachter nicht zugestimmt, hätte das Gericht die Zustimmung der Mutter gemäß § 1666 Abs. 3 BGB ersetzen können (vgl. OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg 2008, 692, 693 = FamRZ 2008, 2147 (LS); OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210 [1211]; Rahm/Künkel/Schneider, a.a.O., Rz. III B 73; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rz. 224; Vogel FPR 2008, 617).

Der angefochtene Beschluss könne daher keinen Bestand haben. Er sei aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dort noch weitere Feststellungen getroffen und insbesondere die aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden könnten.

 

Hinweis

Der BGH betont in seiner Entscheidung die Bedeutung des Amtsermittlungsgrundsatzes in Verfahren nach § 1666 BGB. Regelmäßig ist die Einholung eines Gutachtens erforderlich. Wenn die betroffenen Eltern die Mitwirkung verweigern, kann die Begutachtung des Kindes dennoch erreicht werden, indem die Zustimmung der Eltern gemäß § 1666 Abs. 3 BGB ersetzt wird.

In der Praxis dürfte die Entscheidung erhebliche Schwierigkeiten bei der Beweisführung in FG-Familiensachen nach dem FamFG bereiten. Nach § 30 Abs. 3 FamFG soll eine förmliche Beweisaufnahme über streitige Tatsachen stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich hierauf stützen will. Danach sind aber nur die Beweismittel der ZPO für den strengen Beweis statthaft, somit Zeugen-, Urkunds- und Sachverständigenbeweis sowie Inaugenscheinnahme. Dies dürfte in Einzelfällen undurchführbar sein.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 17.02.2010, XII ZB 68/09

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