Leitsatz

Mangels anderweitiger ausdrücklicher Vereinbarung ist dem Treuhandcharakter der Mietkaution ein stillschweigendes Aufrechnungsverbot im Hinblick auf Forderungen zu entnehmen, die nicht aus dem Mietverhältnis stammen. Mit derartigen Forderungen kann der Vermieter gegenüber dem Anspruch des Mieters auf Kautionsrückzahlung auch dann nicht aufrechnen, wenn die Kaution am Ende des Mietverhältnisses nicht für Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis benötigt wird.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 551

 

Kommentar

Der Mieter einer Wohnung nimmt den Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses auf Rückzahlung einer Kaution in Höhe von 1.020 EUR in Anspruch. Der Vermieter hat gegen den Rückzahlungsanspruch aufgerechnet. Die Gegenforderung betrifft eine Forderung aus abgetretenem Recht, nämlich Mietschulden des Mieters aus einem früheren Mietverhältnis über eine andere Wohnung.

In der Begründung zum Gesetzentwurf des § 551 BGB ist ausgeführt, dass die Kaution wie Treuhandvermögen zu behandeln ist (BT-Drucks. 9/2079 S. 10). Aus dem Treuhandcharakter der Kaution ist u.a. abzuleiten, dass der Vermieter die Kaution grundsätzlich nicht mit mietvertragsfremden Forderungen verrechnen darf. Jedoch ist streitig, ob die treuhänderische Zweckbindung auch dann fortbesteht, wenn das Mietverhältnis beendet ist und feststeht, dass dem Vermieter keine Ansprüche aus dem Mietverhältnis zustehen. Dies wird teilweise bejaht (OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.10.2007, I-10 U 24/07, ZMR 2008 S. 47; Emmerich, in Staudinger (2011), § 551 BGB Rdn. 32), teilweise verneint (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rdn. III 183; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl. 2008, § 551 BGB Rn. 82). Der BGH folgt der ersten Ansicht.

Bei Treuhandverhältnissen gilt ganz allgemein, dass der Treuhänder nur mit solchen Gegenforderungen aufrechnen kann, die aus dem Treuhandverhältnis stammen; die Aufrechnung mit nicht konnexen Gegenforderungen ist dagegen ausgeschlossen (BGH, Urteil v. 21.1.1999, I ZR 209/96, WM 1999 S. 1462).

Für die Mietkaution gilt dasselbe. Sie dient ausschließlich der Sicherung von Forderungen des Vermieters aus dem konkreten Mietverhältnis. Aus der sog. "Sicherungsabrede" folgt ein stillschweigend vereinbartes Aufrechnungsverbot mit mietfremden Forderungen, das über das Ende des Mietverhältnisses hinaus fortbesteht.

Anmerkung

Aufrechnungsverbot mit mietfremden Forderungen

1. Mietkaution bei preisgebundenem Wohnraum

Die Entscheidung des BGH ist zu einem Mietverhältnis über eine freifinanzierte Wohnung ergangen. Dort dient die Kaution der Sicherung von Mietforderungen aller Art; nur mit solchen Forderungen kann der Vermieter aufrechnen.

Bei öffentlich gefördertem, preisgebundenem Wohnraum ist darüber hinaus § 9 Abs. 5 Satz 1 WoBindG zu beachten. Danach ist die Vereinbarung einer Sicherheit nur insoweit zulässig, als sie dazu bestimmt ist, Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus Schäden an der Wohnung oder unterlassenen Schönheitsreparaturen zu sichern. Deshalb kann der Vermieter bei Mietende nicht mit Forderungen auf restliche Miete gegen den Rückzahlungsanspruch aus der Kaution aufrechnen (so bereits: AG Köln, Urteil v. 1.8.2007, 203 C 175/07, WuM 2008 S. 222; a.A.: AG Berlin-Spandau, Urteil v. 28.7.2011, 10 C 222/11, GE 2011 S. 1488).

2. Mietkaution bei Gewerberaum

Die in der Entscheidung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Geschäftsraummiete. Auch hier hat die Kaution Treuhandcharakter; sie dient – wie bei Mietverhältnissen über freifinanzierten Wohnraum – zur Sicherung von Mietforderungen aller Art.

3. Aufrechnungsvereinbarung mit mietfremden Forderungen

Der amtliche Leitsatz enthält den Zusatz, dass die Zweckbindung "mangels anderweitiger ausdrücklicher Vereinbarung" gilt. Der Zusatz findet in den Entscheidungsgründen keine Entsprechung. Er ist (vermutlich) darauf zurückzuführen, dass der zur Beurteilung stehende Vertrag keine derartige Vertragsregelung enthielt. Aus ihm ist nicht abzuleiten, dass die Möglichkeit der Aufrechnung mit mietfremden Forderungen vereinbart werden kann.

Bei der Wohnraummiete dürfte eine solche Vereinbarung gegen § 551 Abs. 4 BGB verstoßen, weil sich der Treuhandcharakter aus der zwingenden Vorschrift des § 551 Abs. 3 Satz 3 BGB ergibt.

Bei der Geschäftsraummiete dürfte eine abweichende Vereinbarung möglich sein, wenn sie individualvertraglich getroffen wird. Eine Formularklausel dürfte an § 305c Abs. 1 BGB scheitern.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 11.7.2012, VIII ZR 36/12, NJW 2012 S. 3300

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