Rz. 64

Der Pflichtteil ist wegen seiner Besonderheiten und der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, die er historisch hatte, ein erbrechtliches Institut von großer Bedeutung und Tradition in Katalonien. Die bestehende Regelung (Art. 451–1 bis 451–27 CCCat) findet ihren Ursprung in einer früheren katalanischen Bestimmung von 1585 und hat das Ziel, Häuser und Familienvermögen zu wahren. Dies geschah in der Form, dass der Pflichtteil sich auf ein Viertel des Nachlasses reduzierte; es war erlaubt, diesen in Geld auszubezahlen. Dies sind die zwei Hauptmerkmale des katalanischen Pflichtteilrechts: Es ist ein reduzierter Pflichtteil über den gesamten Nachlass und berührt in materieller Hinsicht nicht die Nachlassgegenstände, da der Erbe diesen außerhalb des Nachlasses in Geld begleichen kann. Das IV. Buch des CCCat hat einige Veränderungen gebracht, die zu einer weiteren Schwächung des Instituts des Pflichtteils führen.

 

Rz. 65

In Katalonien sind allein die Nachkommen und die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Die Kinder des Erblassers sind aufgrund eines eigenen Rechts berechtigt. Für den Fall des Vorversterbens, der Unwürdigkeit oder Enterbung eines der Kinder sind wiederum dessen Kinder und andere Nachkommen als Enkel des Erblassers nach dem Repräsentationsprinzip innerhalb des Stammes pflichtteilsberechtigt. Der Pflichtteilsanspruch ist in der Form zusammenhängend, dass ein Viertel des Nachlasses zwischen den genannten Berechtigten, einschließlich derjenigen, die auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet haben, und der Unwürdigen aufzuteilen ist, so dass deren Anteile nicht die der anderen vermehren, sondern dem testamentarischen Erben verbleiben. Die Existenz von Nachkommen schließt das Recht der Eltern aus. Falls Mutter und Vater noch leben, steht jedem die Hälfte des Pflichtteils zu. Wenn nur noch ein Elternteil lebt, steht diesem der ganze Pflichtteil zu. Verstirbt der Erblasser ohne Nachkommen und Eltern, hat niemand das Recht auf den Pflichtteil.

 

Rz. 66

Der Pflichtteilsanspruch gewährt einen schuldrechtlichen Anspruch der Berechtigten gegen den Erben auf Zahlung einer Wertleistung in Höhe von einem Viertel der Erbschaft. Trotzdem kann der Erblasser den Pflichtteilsanspruch durch Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis den Berechtigten zuwenden, so dass sie sich das hierdurch Erhaltene auf den individuellen Pflichtteil anrechnen lassen müssen. Im Falle, dass der Wert des Erhaltenen nicht dem Wert des Pflichtteils entspricht, haben diese die Möglichkeit der Klage auf Nachzahlung des Restbetrags des Pflichtteils (Art. 451–10 CCCat).

 

Rz. 67

Obwohl der Pflichtteil einem Viertel des Wertes des Nachlasses entspricht, ist diese Aussage nicht ganz zutreffend, da zur Bestimmung des Wertes des Nachlasses auch die Schenkungen des Erblassers hinzuzurechnen sind. Allerdings sind nur die Schenkungen, die in den letzten zehn Lebensjahren des Erblassers vorgenommen wurden, zu berechnen sowie solche, die die Pflichtteilsberechtigten begünstigt haben, Letztere ohne zeitliche Begrenzung. In der Praxis spricht man dabei vom Zusammenzählen von relictum und donatum. Sowohl die vererbten als auch die verschenkten Güter müssen im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bewertet werden. Dies wird Berechnung (computació) genannt. (Art. 451–5 CCCat). Vom Wert des Nachlasses müssen die Schulden des Erblassers einschließlich der Kosten der letzten Krankheit und der Beerdigung abgezogen werden. Entsprechend der Berechnung spricht man im katalanischen Recht von Anrechnung (imputació), um auf zu Lebzeiten vom Erblasser empfangene Schenkungen Bezug zu nehmen und zu entscheiden, ob sie in den zukünftigen Pflichtteil einfließen. Die allgemeine Regel im katalanischen Recht besagt, dass nur solche Schenkungen anrechnungsfähig sind, die der Erblasser als Vorschuss auf den Pflichtteil vorgenommen und dies im Zeitpunkt der Schenkung ausdrücklich festgelegt hat. Man kann diese Anrechenbarkeit nicht im Nachhinein festlegen, aber man kann sie aufheben und die Schenkung als freie betrachten. Das CCCat führte die Sonderregelung ein, dass Schenkungen an Kinder, die zum Zwecke des Erwerbs der ersten Wohnung vorgenommen werden oder mit denen eine berufliche, gewerbliche oder betriebliche Tätigkeit zur Erlangung persönlicher und wirtschaftlicher Selbstständigkeit unterstützt wird, prinzipiell anrechenbar sind (Art. 451–8 CCCat).[21]

 

Rz. 68

Der Pflichtteil ist im katalanischen Recht als schuldrechtlicher Anspruch ausgestaltet, wobei der Erbe zur Zahlung verpflichtet ist, die entweder durch den Nachlass oder in Geld erfolgen kann. Zudem fallen ab dem Tode des Erblassers Zinsen auf den Pflichtteil an, es sei denn, der Erblasser hat etwas anderes angeordnet. Ein Spiegelbild seines Anspruchscharakters ist, dass der Pflichtteil die Nachlassgegenstände nicht dinglich betrifft, so dass diese ohne Pflichtteilsvermerk in das Grundbuch eingetragen werden können und dadurch auch lastenfrei verkauft werden können, wenn dies einmal durch den Erben akzeptiert wurde.

 

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