3.1 Grundsätze

Im Jahr 2005 wurde in 53,7 % der Deutschen Haushalte Fernsehen noch per Kabelanschluss empfangen. Seit diesem Zeitpunkt ist die Zahl der Empfänger kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2022 waren es nur noch 43,4 % der Haushalte, die Fernsehen über Kabelanschluss empfangen haben.[1] Begründet ist dies darin, dass sich in den letzten Jahren vielfältige TV- und Medienangeboten entwickelt haben. Fernsehempfang über Kabelanschluss, Satellitenanlage oder Gemeinschaftsantenne ist nicht mehr die vorherrschende Lösung für den Fernsehempfang in Mehrfamilienhäusern und somit auch Wohnungseigentumsanlagen.

Insbesondere mit Blick auf die Mieter wurde der Gesetzgeber insoweit aktiv und hatte für eine Änderung des Telekommunikationsrechts mit dem am 1.12.2021 in Kraft getretenen Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) gesorgt. Nach § 2 Nr. 15 der Betriebskostenverordnung (BetrKV) können die Entgelte für den TV-Breitbandkabelanschluss nur noch bis zum 30.6.2024 auf die Mieter umgelegt werden. Voraussetzung ist, dass die Anlage vor dem 1.12.2021 errichtet wurde. Für Anlagen, die seit diesem Zeitpunkt errichtet wurden, ist bereits jetzt eine Umlage nicht mehr möglich.

Die Verteilung der Kosten zwischen den Wohnungseigentümern bleibt hiervon unberührt. Die Kosten werden weiterhin nach dem jeweils geltenden Kostenverteilungsschlüssel unter den Wohnungseigentümern verteilt. Freilich ist, wie oben erläutert, die Weiterbelastung der Mieter für vermietende Eigentümer nicht mehr möglich.

Vermehrt wird es jedenfalls in den Eigentümergemeinschaften zu Beschlussinitiativen – gerichtet auf eine Kündigung des Kabelanschlussvertrags – kommen, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Kabelbetreiber und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer besteht. Entsprechende Verträge können jedenfalls gemäß § 230 Abs. 5 TKG ab dem 1.7.2024 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Fungieren die einzelnen Wohnungseigentümer als Vertragspartner, können selbstverständlich auch sie die jeweiligen Verträge am 1.7.2024 kündigen. Ein Anspruch auf Vertragskündigung einzelner Wohnungseigentümer dürfte allerdings aus keinem Rechtsgrund bestehen.

Beschlüsse über eine Vertragskündigung bedürfen, wie ansonsten auch, lediglich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Überstimmte, aber weiter über Kabel empfangswillige Wohnungseigentümer können dann einen Individualvertrag mit dem Kabelanbieter abschließen.

 
Hinweis

Abtrennen der Empfangsanlage vom Allgemeinstrom

Beschließen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die Kündigung des Kabelversorgungsvertrags, dürfte ein weiterer Beschluss über das Abtrennen der Kabelempfangsanlage vom Allgemeinstrom aus Gründen der Treuwidrigkeit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen.[2]

Notfalls ist ein Zwischenzähler zur Verbrauchsermittlung einzubauen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Montage eines Zwischenzählers zur Verbrauchserfassung kostenmäßig in keinem Verhältnis zu den äußerst geringen Allgemeinstromkosten stehen dürfte.

[1] Quelle: Destatis.
[2] AG Recklinghausen, Urteil v. 5.4.2016, 90 C 74/15.

3.2 "Nicht mehr empfangswillige" Wohnungseigentümer

Lehnt die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Kündigung des Kabelversorgungsvertrags ab, bleibt die überstimmte Minderheit weiter in die Kostenverteilung eingebunden, auch wenn sie ihr Fernsehen über andere Medien empfangen will oder bereits empfängt. Einen Anspruch auf Kostenbefreiung besteht aus keinem Rechtsgrund. Auch ansonsten gilt im Bereich des Wohnungseigentums mit Ausnahme von Maßnahmen der baulichen Veränderung der Grundsatz der allseitigen Kostentragungspflicht, bei dem es nicht darauf ankommt, ob eine Einrichtung genutzt wird oder dies nicht der Fall ist.

Ein derartiger Anspruch ist auch nicht aus § 10 Abs. 2 WEG herzuleiten, der die Anpassung einer Vereinbarung bzw. die Schaffung einer solchen aus schwerwiegenden Gründen zur Vermeidung von Unbilligkeiten ermöglicht. Hinsichtlich der Kostenverteilung wird dies nämlich erst dann angenommen, wenn der Wohnungseigentümer insgesamt mit ca. 25 % Mehrkosten im Vergleich zu interessengerechter Kostenverteilung belastet wird.

 
Achtung

Kein Problem bei Einzelnutzerverträgen

Bestehen Einzelempfangsverträge der jeweiligen Wohnungseigentümer zum Kabelbetreiber, so stellt sich das Problem der Kostenverteilung nicht, da die einzelnen Wohnungseigentümer ohnehin die monatlichen Empfangsgebühren direkt mit dem Kabelbetreiber abrechnen. In diesem Fall ist es dann Sache des nicht mehr empfangswilligen Wohnungseigentümers, den Einzelnutzervertrag mit dem Kabelanbieter zu kündigen. Abhängig von den konkreten vertraglichen Vereinbarungen kann in derartigen Fällen der Kostenvorteil für den Anschluss mehrerer Wohneinheiten entfallen.

3.2.1 Besonderheiten der Teilnehmergemeinschaft

Bei nicht mehr empfangswilligen Mitgliedern einer Teilnehmergemeinschaft sind die Besonderheiten einerseits des Gesellschaftsrechts der GbR und andererseits diejenigen der Bruchteilsgemeinschaft zu beachten. Und hier kann es im Einzelfall durchaus kompliziert werden, wenn die Teilnehmergemeinschaft ihr Innenverhältnis nicht au...

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