Leitsatz

  1. Gebot der Vorlage einer schriftlichen Stimmrechts-Originalvollmacht (hier: Dauervollmacht) kann bei jahrelangem Verzicht in der Gemeinschaft hierauf im Fall erneuter Forderung den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen
  2. Unzulässige Abstimmungs-Majorisierung
 

Normenkette

§ 25 WEG; §§ 174, 242 BGB

 

Kommentar

  1. In der Gemeinschaftsordnung war Stimmrechtsvertretung unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht vereinbart. Insoweit bedarf es grundsätzlich der Vorlage einer solchen Vollmacht im Original, und zwar – auch bei sogenannter Dauervollmacht – in jeder Versammlung (vgl. BayObLG v. 2.2.1984, BReg 2 Z 63/83 und OLG München, NJW-RR 2008 S. 245). Wird eine solche Originalvollmacht nicht vorgelegt, kann die Stimmabgabe des Vertreters gleichwohl wirksam sein, wenn der Versammlungsleiter den Vertreter nicht aus Gründen mangelnder Vorlage einer Originalvollmacht zurückweist und tatsächlich eine solche Vollmacht jedoch besteht (BayObLG, WuM 1990 S. 621). Wird allerdings eigentümerseits (hier: durch den Verwaltungsbeirat) entsprechende Vollmachtsrüge in der Versammlung erhoben, ist eine Vertreter-Stimmabgabe analog § 174 BGB zurückzuweisen, wenn – wie vorliegend – eine Originalvollmachtsurkunde nicht vorgelegt wird; die Stimmabgabe des Vertreters ist insoweit unwirksam. Auch der Versammlungsleiter kann und muss hier die Stimmabgabe zurückweisen. Allerdings kann über mehrheitlichen Geschäftsordnungsbeschluss auch auf diese Vereinbarungsformalie verzichtet werden.
  2. Allerdings war vorliegend die Zurückweisung der Stimmabgabe unzulässig. Duldet nämlich eine Gemeinschaft über mehrere Jahre hinweg eine der Teilungserklärung widersprechende Vertretung eines Eigentümers in Versammlungen, kann von diesem Usus nur dann abgewichen werden, wenn gewährleistet ist, dass der betroffene Eigentümer rechtzeitig für seine ordnungsgemäße Vertretung sorgen kann; andernfalls ist der Vertreter nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Teilnahme an der Versammlung zuzulassen (OLG Hamm, NJW-RR 1997 S. 846; OLG Köln, NJW 2005 S. 908).
  3. Auch für die Anfechtung eines Negativbeschlusses besteht Rechtsschutzbedürfnis eines Eigentümers jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die Anfechtung dieses Negativbeschlusses mit der Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses verbunden werden kann (vgl. BGH, NJW 2002 S. 3704).
  4. Eine unzulässige Majorisierung liegt im Beschlussfall zwar nicht schon dann vor, wenn der Mehrheitseigentümer mit seinen Stimmen einen Beschluss gegen die Stimmen aller anderen Wohnungseigentümer durchsetzt. Nutzt er allerdings ein ihm zustehendes Stimmenübergewicht zur Herbeiführung einer eigennützigen, sachlich nicht gerechtfertigten, insbesondere gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoßenden oder gesetzwidrigen Entscheidung, so begründet dies den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens.
 

Link zur Entscheidung

LG Mainz, Beschluss vom 15.08.2011, 306 T 129/08

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