Rz. 21

Wie in anderen Rechtsgebieten führt die Gesetzgebung der Europäischen Union zum einen zur allmählichen Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts und zum anderen zur Entstehung neuer europäischer Modelle wie die Societas Europea und die Societas Cooperativa Europea.[18] Die Entscheidungen des EuGH zum Gesellschaftsrecht[19] lassen jedoch erkennen, dass der Grad der Harmonisierung im europäischen Gesellschaftsrecht bislang nur begrenzt ist und nach wie vor noch viel Raum für Wettbewerb unter den einzelnen Mitgliedstaaten besteht, ein effizientes Gesellschaftsrecht zu schaffen. Sowohl die Umsetzung der EU-Richtlinien als auch der Wettbewerb haben zahlreiche EU-Länder bewegt, ihre Systeme zu reformieren, und dabei die Gesellschaftsformen, insbesondere für kleine und mittlere Firmen, vereinfacht und ihnen mehr gesellschaftsrechtlichen Freiraum eingeräumt. In diesem Kontext ist ein wichtiger Teil der italienischen Reform zu sehen, die das Recht der GmbH weitgehend modifiziert und die ehemaligen starren Strukturen anpassungsfähiger gestaltet hat.[20]

 

Rz. 22

Die Reform des italienischen Gesellschaftsrechts ist zum 1.1.2004 in Kraft getreten und basiert auf dem Gesetz vom 3.10.2001 Nr. 366, das die wesentlichen Kriterien für die Reform vorgegeben hat. Auf seiner Grundlage erging am 17.1.2003 die Gesetzesverordnung (DLgs) Nr. 6 zur "Hauptreform des Rechts der Kapitalgesellschaften und der Genossenschaften".[21]

 

Rz. 23

Für die GmbH wurden mit der Gesellschaftsrechtsreform weit reichende Neuerungen eingeführt, um den Unternehmern zu ermöglichen, eine größere Flexibilität zu erreichen und eine Gesellschaft nach ihren speziellen Bedürfnissen zu gestalten.[22]

 

Rz. 24

Die Gesellschaftsrechtsreform hatte vornehmlich folgende Ziele:

Stärkung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Firmen und dadurch die Möglichkeit, besseren Zugang zu internationalen Märkten zu haben;
Stärkung der Unternehmereigenschaft der Gesellschaft und Präzisierung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten ihrer einzelnen Organe;
Vereinfachung des Gesellschaftsrechts, insbesondere im Vergleich zu ausländischen Gesellschaftsformen;
Stärkung der gesellschaftsrechtlichen Autonomie unter Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten.
 

Rz. 25

Die bisher herrschende starke Reglementierung und Komplexität, selbst bei der einfachsten Form der Kapitalgesellschaften, der GmbH, haben in Italien dazu geführt, dass im Verhältnis zu anderen europäischen Staaten eine wesentlich geringere Anzahl von Kapitalgesellschaften besteht.

 

Rz. 26

Konzeptionell war die alte GmbH stark an der Aktiengesellschaft orientiert, sowohl hinsichtlich des Gläubigerschutzes und des internen Aufbaus als auch hinsichtlich der Übertragbarkeit der Anteile. Sie ist daher oftmals auch als "Aktiengesellschaft ohne Aktien" bezeichnet worden.[23]

Nach der Gesellschaftsrechtsreform von 2004 kann die GmbH als in jeder Hinsicht unterschiedlich von der Aktiengesellschaft angesehen werden. Sie hat sich vom klassischen Modell der Kapitalgesellschaft weg bewegt und erscheint heute als eine Art Zwischenform von Aktiengesellschaft und Personengesellschaft. Mit der Ersten teilt sie sich nach wie vor die Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftskapital, mit Letzterer hat sie die nunmehr große Satzungsfreiheit hinsichtlich interner Regelungen gemeinsam. Die neue GmbH soll die Möglichkeit schaffen, eine auf die Belange der Gesellschafter und ihr Verhältnis untereinander zugeschnittene interne Organisation zu schaffen, jedoch unter Beachtung eines rechtlichen Mindestmaßes an Buchführungskontrolle. Nach der Reform haben die Gesellschafter einer GmbH die Freiheiten der Personengesellschaft, aber den Vorteil der beschränkten Haftung.

 

Rz. 27

Eine weitere Neuerung ist, dass die Gesellschafter jetzt die Möglichkeit haben, die Tätigkeit der Geschäftsführer zu überprüfen und diese gegebenenfalls auch für Fehler haftbar zu machen. Die Gesellschafter, die nicht an der Geschäftsführung teilnehmen, haben ein Recht darauf, von den Geschäftsführern über die Geschäftsentwicklung informiert zu werden und können – gegebenenfalls auch durch Berater ihres Vertrauens – die Gesellschaftsbücher und alle Unterlagen über die Geschäftsführung einsehen. Zusammen mit den Geschäftsführern sieht das Gesetz ferner eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter vor, die absichtlich der Gesellschaft, einem Dritten oder einem anderen Gesellschafter geschadet haben (Art. 2476 c.c.). Im Vergleich zum alten Recht unterliegt nunmehr die Geschäftsführung einer wesentlich weiteren Informationspflicht zugunsten der Gesellschafter.[24]

 

Rz. 28

Bedingt durch die Krise und den Abbau von Arbeitsplätzen sowie durch die Überzeugung, dass hohe Kapitalanforderungen die unternehmerische Tätigkeit einschränken können, wurden im Rahmen von Gesetzesdekreten, die die unterschiedlichsten Maßnahmen vorsahen, um das Wachstum des Landes und dessen Wettbewerb zu stärken, die Kapitalvoraussetzungen herabgesetzt und im Jahr 2012 zunächs...

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