Leitsatz

  1. Ein Betrag, der als Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausgewiesen wird, die eine Person ausstellt, die Dienstleistungen an den Staat erbringt, ist dann nicht als Mehrwertsteuer zu qualifizieren, wenn diese Person irrtümlich annimmt, dass sie diese Dienstleistung als Selbstständiger erbringt, obwohl in Wirklichkeit ein Verhältnis der Unterordnung besteht.
  2. Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie verbietet nicht die Rückerstattung eines Betrages, der in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument irrtümlich als Mehrwertsteuer ausgewiesen ist, wenn die fraglichen Dienstleistungen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen und der in Rechnung gestellte Betrag daher nicht als Mehrwertsteuer qualifiziert werden kann.
 

Sachverhalt

Die Kläger waren zu Übersetzern für das Außenministerium Griechenlands ernannt worden. Sie reichten für 1992 endgültige Mehrwertsteuererklärungen ein, nahmen diese aber 1994 zurück und forderten die Rückerstattung der entrichteten MwSt. Sie hätten die Erklärungen irrtümlich eingereicht, weil sie nicht der MwSt unterlägen; sie seien gegenüber dem Außenministerium nichtselbstständig gewesen. Im Instanzenzug blieb es bei der Feststellung der Nichtselbstständigkeit. Es kam aber zu Vorlagefragen an den EuGH, insbes. ob Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie, nach dem die MwSt geschuldet wird, wenn sie in einer Rechnung … ausgewiesen ist, die Rückerstattung eines Betrages verbietet, der irrtümlich als MwSt auf einer Rechnung angegeben wurde, wenn der Staat nicht als Steuerpflichtiger i.S.v. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie tätig wird und wenn diese Steuer nicht an den Verbraucher weitergegeben wird.

 

Konsequenzen für die Praxis

1. Der Ausgangspunkt des Verfahrens dürfte für die deutsche Praxis keine Bedeutung haben. Der EuGH war an die Feststellung der griechischen Gerichte gebunden, dass die (örtlich und zeitlich ungebundenen, nicht beamteten) Übersetzer gegenüber dem Außenministerium als Auftraggeber nichtselbstständig waren. Mit der griechischen Regierung kann man die Feststellung wohl als unzutreffend ansehen.

2. Unerfreulicher für die Praxis dürfte dagegen die dem damit gegebenen "Phantom-Fall" zugedachte Entscheidung des EuGH sein. Der EuGH meint, die von einem Nichtsteuerpflichtigen ausgewiesene Steuer sei keine Mehrwertsteuer. Sie falle damit auch nicht unter die Steuerschuldregelung des Art. 21 Nr. 1 Buchst. c (seit 2000: Buchst. d) der 6. EG-Richtlinie (Vorgabe für die Regelungen in § 14 Abs. 2 und 3 UStG). Damit bestehe bei Berichtigung des Betrags keine Gefährdung des Steueraufkommens. Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie"verbietet nicht die Rückerstattung" eines solchen Betrags. Mit anderen Worten: Die Rückerstattung ist nicht an die Berichtigungsvoraussetzungen dieser Bestimmung (Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens) geknüpft. Sinn macht diese Auffassung m.E. nur, wenn man auf den Empfänger einer Rechnung mit solchem Steuerausweis abstellt. Die nichtunternehmerische öffentliche Hand als Leistungsempfänger kann keinen Vorsteuerabzug geltend machen, damit fehlt eine Gefährdungsmöglichkeit.

Solche Situationen der Nichtgefährdung des Steueraufkommens können wohl nur bei Rechnungen eines Nichtunternehmers (Nichtselbstständiger, öffentliche Hand u.Ä.) an einen Nichtunternehmer dieser Art gegeben sein. Im Übrigen muss gefragt werden, ob der EuGH sich diese Lösung auch bei irrtümlichen Abrechnungen mit Steuerausweis über steuerfreie Leistungen vorstellt. Auch diese Leistungen "unterliegen nicht der Mehrwertsteuer" (vgl. Rn. 51 des Urteils).

Nach deutscher Praxis geht man hier von einem unberechtigten Steuerausweis i.S.v. § 14 Abs. 3 UStG aus, der aber (nach EuGH-Grundsätzen) berichtigt werden kann. Diese formale (und vom Wortlaut der Bestimmung getragene) Betrachtung des Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie - wie sie von der griechischen Regierung vor dem EuGH vertreten wurde - hätte das Verständnis der Bestimmung in Fortführung der EuGH-Rechtsprechung[1] leichter verstehbar gemacht.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 12.11.1998, C-149/97EuGH, Urteil v. 6.11.2003, Rs. C-80/02,- Karageorgou, Petrova, Vlachos -, BFH/NV Beilage 2004 S. xxx[2].

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