Zusammenfassung

Die Entscheidung des OLG Köln v. 20.5.2022, 8 U 52/21

Im internationalen Handel sind Lieferverträge, an denen Hersteller, Lieferanten und Auftraggeber aus unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind, gängige Praxis. Kommt es zu Rechtsstreitigkeiten, stellt sich die Frage, welches Gericht überhaupt zuständig ist. Häufig wird nicht beachtet, dass im Rahmen der Bestimmung der Zuständigkeit nach der EuGVVO neben Gerichtsstandsvereinbarungen auch der vereinbarte Lieferort entscheidend für die Zuständigkeit des Gerichts sein kann. Werden Incoterms als standardisierte Lieferklauseln vereinbart, ist zu berücksichtigen, ob der jeweilige Incoterm einen Lieferort und damit Erfüllungsort festlegt. Haben die Parteien in einer Gerichtsstandsvereinbarung keinen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart, wird die Zuständigkeit der Gerichte des Erfüllungsorts nach Art. 7 EuGVVO relevant.

Kurzwiedergabe des Sachverhaltes

In dem vom Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall stritten die Parteien über die Zahlung des Kaufpreises für die Lieferung von Keramikfliesen. Klägerin war die deutsche Vertriebsgesellschaft und Herstellerin der Fliesen. Die Beklagte zu 1), eine portugiesische Bauunternehmerin, war von der Beklagten zu 2) mit Sitz in Frankreich mit der Fassadenverkleidung an einem Bauvorhaben in Frankreich beauftragt worden.

Im Zuge der Bestellung der Fliesen unterzeichneten die drei Parteien zum einen eine Vereinbarung in französischer Sprache über einen Schuldbeitritt betreffend die Zahlungen an den Lieferanten. Die Vereinbarung enthielt eine Gerichtsstandsvereinbarung dahingehend, dass der Schuldbeitritt französischem Recht unterliegen und ein französisches Handelsgericht (Tribunal de commerce) für alle Streitigkeiten zuständig sein sollte. Zu einem späteren Zeitpunkt nahmen die Parteien Änderungen an den Lieferbedingungen vor und hielten diese in einer weiteren Auftragsbestätigung fest, die die erste Auftragsbestätigung ersetzte. Die zunächst vereinbarte Incoterm-Klausel wurde ersetzt durch "F Fret payé A FR lieu d’expédition: D" ("Frachtfrei A FR Versandort: D", d.h. durch den Incoterm CPT ("Freight paid" / "Frachtfrei").

Die Klage wurde in erster Instanz vom Landgericht Bonn als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht verneinte die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Nach der Gerichtsstandsvereinbarung seien französische Gerichte zuständig. Auch aus Art. 7 EuGVVO, der Zuständigkeit des Erfüllungsorts, ergebe sich keine Zuständigkeit deutscher Gerichte.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Das OLG Köln hatte daher die Frage zu entscheiden, ob deutsche oder französische Gerichte international zuständig sind. Es bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung zurück.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss v. 20.5.2022, 8 U 52/21

Das OLG Köln bestätigte, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben sei. Stattdessen seien französische Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich zuständig. Dies ergebe sich aus der Vereinbarung der Parteien, wonach diese wirksam die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts in A. (Frankreich) vereinbart hätten und damit eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 Abs. 1 S. 1 EuGVVO getroffen hätten. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge daher auch nicht aus Art. 7 Nr. 1 lit. a) und b) 1. Spiegelstrich EuGVVO (Gerichtstand des Erfüllungsorts).

Art. 25 Abs. 1 EuGVVO – Gerichtsstandsvereinbarung

Nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO muss sich eine Gerichtsstandsvereinbarung auf eine bereits entstandene oder auf eine künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis folgende Rechtsstreitigkeit beziehen. Das OLG Köln hielt es für zweifelsfrei, dass eine Verständigung der Vertragsparteien über eine Zuständigkeit des Handelsgerichts in A. (Frankreich) für sämtliche sich aus dem Vertrag ergebene Rechtsstreitigkeiten bestehe, nicht nur für den Schuldbeitritt. Auch aus Gründen der Prozessökonomie könne eine Zersplitterung der gerichtlichen Zuständigkeit mit der Konsequenz divergierenden Rechtsentscheidungen von den Parteien nicht gewollt sein.

Art. 7 EuGVVO: Zuständigkeit des Erfüllungsorts – Bedeutung des vereinbarten Lieferorts?

Auch wenn die Parteien keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen hätten, würde aus Art. 7 EuGVVO keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgen. Danach kann eine Person mit Wohnsitz bzw. ein Unternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat in einem anderen EU-Mitgliedstaat verklagt werden, vorausgesetzt dort liegt der Erfüllungsort der streitgegenständlichen Verpflichtung. Der Erfüllungsort bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen ist dabei stets der Ort, an dem die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind bzw. hätten geliefert werden müssen (vgl. Art.7 Nr. 1 lit. b) 1.Spiegelstrich EuGVVO).

Wenn der Vertrag keine ausdrückliche Regelung über den Lieferort enthält – wie in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall – mus...

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