OFD Niedersachsen, 10.11.2015, S 0550 - 1929 - St 151

 

1. Allgemeines

Die österreichische Insolvenzordnung kennt für Unternehmer und Nichtunternehmer unterschiedliche Verfahrensarten. Für Gesellschaften bzw. natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind, kommen das Sanierungs- oder Konkursverfahren zur Anwendung. Für Verbraucher gliedert sich das Verfahren in außergerichtlichen Ausgleichsversuch, Zahlungsplan und Abschöpfungsverfahren.

 

2. Übersicht über das Insolvenzverfahren

Wie in Deutschland führen die Tatbestände der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung zu einem Insolvenzverfahren.

 

2.1 Regelinsolvenzverfahren

 

2.1.1 Insolvenzantragsverfahren

Auf Antrag des Schuldners wird das Insolvenzverfahren sofort eröffnet. Dabei genügt eine an das Gericht erstattete Anzeige von der Zahlungseinstellung (§ 69 IO, Insolvenzordnung). Der Schuldner ist bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Insolvenzantragstellung verpflichtet, unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Insolvenzeröffnung zu beantragen. Unabhängig davon, ob der Schuldner eine natürliche Person ist oder von persönlich haftenden Gesellschaftern und Liquidatoren einer Handelsgesellschaft bzw. die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen vertreten wird, tragen diese Personen die haftungs- und strafrechtliche Verantwortung wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen.

Bei einem Antrag durch einen Gläubiger hat dieser die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft zu machen. Wird das Insolvenzverfahren aufgrund des Antrages des Gläubigers eröffnet und ist beim Schuldner sowie bei dem Mehrheitsanteilseigner oder dem Geschäftsführer des/der Schuldners/-Ni kein für das Insolvenzverfahren ausreichendes Vermögen vorhanden, hat der Gläubiger einen Kostenvorschuss in Höhe von 4.000,00 EUR zu leisten, der später im Insolvenzverfahren vorweg durch die Masse zu befriedigen ist. Dies gilt auch für die Finanzverwaltung, da sie nicht von den Gerichtskosten befreit ist.

Zieht ein Gläubiger einen einmal gestellten Antrag zurück, kann er in den nächsten sechs Monaten diesen nicht noch einmal wegen derselben Forderung stellen (§ 77 Abs. 3 IO).

Bis zur Eröffnung des Verfahrens kann das Gericht einstweilige Vorkehrungen zur Sicherung der Masse treffen. Eine ausdrückliche vorläufige Insolvenzverwaltung wie im deutschen Recht kennt die österreichische Insolvenzordnung jedoch nicht. Wurden einzelne Rechtshandlungen durch das Gericht bis zur Verfahrenseröffnung verboten, können diese nur mit Zustimmung des Richters oder einem von ihm bestellten einstweiligen Verwalter ausgeführt werden (§ 73 IO). Ein allgemeines Verfügungsverbot für den Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung sieht die IO nicht vor.

Zuständig für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Gerichtshof erster Instanz/Landgericht (Insolvenzgericht) an dem Ort, an dem der Schuldner sein Unternehmen betreibt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 63 IO). In Wien ist ausnahmsweise das Handelsgericht zuständig (§ 64 IO).

Sollte der Insolvenzeröffnung kein Antrag des Schuldners samt zulässigem Sanierungsplan zugrunde liegen (§ 180 I IO, vgl. auch Tz 2.1.4), ist das Verfahren als Konkursverfahren zu bezeichnen.

 

2.1.2 Pflichten des Verwalters

Die Entrichtung fälliger Steuern und das Einreichen von Erklärungen ist während des Insolvenzverfahrens eine persönliche Verpflichtung des Masseverwalters.

 

2.1.3 Rückschlagsperre

Vor Verfahrenseröffnung durch Sicherungsmaßnahmen erworbene Absonderungsansprüche erlöschen in Österreich durch die Insolvenzeröffnung, wenn sie in den letzten 60 Tagen vor Insolvenzeröffnung durch Vollstreckungsmaßnahmen erworben worden sind. Vor der Stellung eines Insolvenzantrages prüfen die österreichischen Finanzämter daher, ob in dieser Zeit Vollstreckungsmaßnahmen ausgeführt wurden. In Abwägung mit möglichen Anfechtungstatbeständen wird der Ablauf dieser Frist ggf. abgewartet.

 

2.1.4 Sanierungsverfahren

Der Schuldner kann bereits zugleich mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens den Abschluss eines Sanierungsplans (ähnlich wie der deutsche Insolvenzplan) beantragen.

Der Sanierungsplan hat folgende Mindesterfordernisse:

  • Die Masseforderungen werden voll befriedigt bzw. sichergestellt.
  • Aus- und Absonderungsrechte werden vom Sanierungsplan nicht berührt.
  • Einzelne Insolvenzgläubiger dürfen nicht bevorteilt werden.
  • Die Gläubiger erhalten bei einem Sanierungsplan mit Eigenverwaltung (§ 169 IO) eine Quote von 30 % ihrer Forderungen, zahlbar innerhalb von zwei Jahren ab Annahme des Plans. Handelt es sich um einen Sanierungsplan ohne Eigenverwaltung (§ 141 i. V. m. § 170 IO), ist eine Mindestquote von 20 %, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahme, möglich.

Zur Annahme ist die Zustimmung der Mehrheit (Kopf- und Summenmehrheit) der anwesenden stimmberechtigten Gläubiger erforderlich (§ 147 Abs. 1 IO).

In diesen Fällen ist sicherzustellen, dass die Ausübung des Stimmrechts...

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