Leitsatz

An einem nicht überdachten Innenhof, der von Räumen umschlossen ist, kann Sondereigentum begründet werden.

 

Normenkette

§ 5 WEG

 

Das Problem

Nach der Teilungserklärung soll ein Raum des Sondereigentums des Wohnungs- und Teileigentums Nr. 1 ein nach oben offener Innenhof sein. Das Grundbuchamt meint, der Innenhof sei nicht "abgeschlossen". Ferner meint es, bei dem Innenhof handle es sich nicht um einen Raum. B meint, die Abgeschlossenheit ergebe sich aus den konkreten baulichen Gegebenheiten. Ferner hält B den Innenhof für sondereigentumsfähig. B legt daher Beschwerde ein.

 

Die Entscheidung

  1. Die Beschwerde hat Erfolg! Der Innenhof sei sondereigentumsfähig im Sinne des über § 8 Abs. 2 Satz 1 BGB im Fall der Teilung durch einen Alleineigentümer entsprechend anwendbaren § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG.
  2. Sondereigentum könne gemäß § 3 Abs. 1 WEG nur an Wohnungen oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem Gebäude, nicht dagegen an Grundstücksflächen eingeräumt werden. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG solle Sondereigentum nur eingeräumt werden, wenn die Wohnungen oder sonstigen Räume in sich abgeschlossen seien. Dass § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG eine bloße "Soll-Vorschrift" ist, bedeute dabei nur, dass im Fall eines Verstoßes das eingetragene Wohnungseigentum weder nichtig noch anfechtbar sei. Das Grundbuchamt habe bei der Eintragung die Sollvorschrift jedoch in gleicher Weise wie zwingende Vorschriften zu beachten.
  3. Der Innenhof solle Bestandteil des Wohnungs- und Teileigentums Nr. 1 werden. Er werde zwar in der Teilungserklärung als solcher nicht erwähnt. Seine Zugehörigkeit zum Sondereigentum des Wohnungs- und Teileigentums Nr. 1 ergebe sich aber durch die Bezugnahme auf die Abgeschlossenheitsbescheinigung, in der wiederum auf den Aufteilungsplan und die darin vorgenommene Bezeichnung mit Ziffern verwiesen werde. Der Innenhof sei im Aufteilungsplan – wie sämtliche in der Teilungserklärung ausdrücklich dem Wohnungs- und Teileigentum Nr. 1 zugewiesenen Räume – mit der in einem Kreis stehenden Zahl "1" gekennzeichnet.
  4. Der Innenhof sei angesichts der konkreten Gegebenheiten als sondereigentumsfähig gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG anzusehen. Bei der Anwendung des § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG sei zu beachten, dass die Raumeigenschaft nicht mit der Frage der Abgeschlossenheit identisch sei (Hinweis auf Grziwotz in Jennißen, WEG, 4. Aufl. 2015, § 5 Rn. 10). Es handle sich um zwei selbstständige, wenn auch je nach den Gegebenheiten des Falles einander ergänzende Tatbestandsmerkmale als Voraussetzungen der Sondereigentumsfähigkeit. Raum sei der umbaute, also von Fußboden, Decke und Wänden umschlossene "lichte Raum". Ein Raum sei ein kubisches, also nach Länge, Breite und Höhe abgrenzbares Gebilde. Der Raum im Sinne des WEG sei daher durch die Dreidimensionalität gekennzeichnet, wobei alle Wände von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität gekennzeichnet und die Zugänge abschließbar sein müssten. Abgeschlossenheit sei dem Wortsinn nach dann gegeben, wenn der fragliche Bereich nicht ohne Weiteres zugänglich sei. Die Zusammenschau mit § 13 Abs. 1 WEG ergebe, dass das Erfordernis des Raumabschlusses nach § 3 Abs. 2 WEG seinen Grund darin finde, dass zum Sondereigentum die alleinige Sachteil- und Raumherrschaft des Sondereigentums gehöre. Dieser Herrschaftsbereich des Sondereigentums solle vermittels Abgeschlossenheit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG sowohl klar und dauerhaft abgegrenzt als auch gegen widerrechtliches Eindringen tatsächlich abgeschirmt werden. Hierzu reichten feste, geschlossene Wände und verschließbare Zugänge aus.
  5. Diese Definitionen ergäben für den Fall, dass für die Einstufung des Innenhofes als sondereigentumsfähig gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht etwa das Erfordernis der Abgeschlossenheit, sondern vielmehr die Frage der Raumeigenschaft vertiefter Betrachtung bedürfe. Insoweit sei zu beachten, dass der nach oben offene Innenhof mangels Überdachung keinen Raum im oben dargestellten Wortsinne bilde. Er sei nach den konkreten Gegebenheiten des zu beurteilenden Einzelfalls gleichwohl sondereigentumsfähig. Es erscheine von vornherein weder sachgerecht noch erforderlich oder auch nur angemessen, generell Innenhöfen für den Bereich der Geltung des WEG die Sondereigentumsfähigkeit abzusprechen. Hierfür gebe es weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Notwendigkeit. Ziel des Wohnungseigentumsgesetzes sei es, durch die rechtliche Verselbstständigung des Wohnungs- und Teilungseigentums gegenüber dem Miteigentum den Erwerb von Immobiliareigentum zu fördern. Hierzu sei das Wohnungseigentum dem Eigentum an einem Grundstück grundsätzlich gleichgestellt. Es bestehe aus dem Sondereigentum und dem Miteigentum an dem Grundstück. Das Sondereigentum sei als Alleineigentum ausgestaltet, das aus der gemeinschaftlichen Berechtigung der Miteigentümer des Grundstücks gelöst sei. Die sondereigentumsfähige Wohnung entspreche in ihrer rechtlichen Qualität – vom besonders intensivierten Nachbarschaftsverhältnis zu den anderen Sondereigentümern abg...

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