Rz. 44

Neben den gemeinnützigen Stiftungen gibt es auch Stiftungen, deren Erträge nicht dem Gemeinwohl, sondern privaten Zwecken gewidmet sind.[36] Wichtigste Erscheinungsform der privatnützigen Stiftung ist die Familienstiftung. Sie ist keine besondere Rechtsform der Stiftung, sondern eine Anwendungsform.[37] Im Zivil- und Steuerrecht gibt es eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, die sich mit Einzelaspekten der Familienstiftung befassen.[38]

[36] Zur Entwicklung des Rechts der privatnützigen Stiftung allgemein vgl. Richter, Rechtsfähige Stiftung, S. 109, 116 f., 134, 257, 296 ff., 383 ff.; ausführlich Richter/Gollan, in Hüttemann/Richter/Weitemeyer, Rz. 30.1 ff.
[37] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 1; für eine Differenzierung de lege ferenda Richter, Rechtsfähige Stiftung, S. 383 ff.
[38] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 1; Kögel, Stiftung & Sponsoring 2/2002, S. 19.

1.4.1 Begriff

 

Rz. 45

Ein einheitlicher Begriff oder gar eine allgemeingültige Definition der "Familienstiftung" lässt sich in den stiftungsrechtlichen Regeln des Zivil- und Steuerrechts nicht finden. Voraussetzungen und Rechtsfolgen, die sich aus der Berücksichtigung des Familienaspekts ergeben, differieren je nach einschlägiger Detailregelung.[39] Daher dürfen die einzelnen Rechtsnormen immer nur aus sich selbst und ihrem jeweiligen Normzusammenhang ausgelegt werden.[40] Eine Bezugnahme auf Definitionen aus anderen Normzusammenhängen ist regelmäßig unzulässig.[41]

 

Rz. 46

Ungeachtet der definitorischen Besonderheiten der einzelnen Normen fallen unter den Begriff der "Familienstiftung" schlagwortartig solche Stiftungen, die im besonderen Maße den Interessen oder dem Wohl einer oder mehrerer bestimmter Familien ganz oder teilweise dienen.[42] Die Familienstiftung ist Stiftung "für" eine Familie. Ob sie auch "von" einer Familie errichtet, kontrolliert oder besonders beeinflusst wird, ist für den Begriff der Familienstiftung nicht entscheidend.

[39] Hof/Hartmann/Richter, Beck-Rechtsberater Stiftungen, S. 194; Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 44.
[40] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 4.
[41] Pöllath/Richter, a. a. O.
[42] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 2.

1.4.2 Motivation zur Errichtung einer Familienstiftung

 

Rz. 47

Die Gründe für die Errichtung einer Familienstiftung sind überwiegend nicht steuerlicher, sondern zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Natur.[43]

 

Rz. 48

Zivilrechtlich bewirkt die Familienstiftung eine wirtschaftliche Absicherung der Familie unter drastischer Reduzierung des Risikos des Auseinanderfallens des Vermögens. Das Stiftungsvermögen bleibt an den Stifterwillen gebunden. So wird es zugunsten der Familie verselbstständigt, jedoch ohne dass die begünstigten Familienmitglieder die Kontrolle über das Vermögen erlangen. Anders als z. B. bei einer Familiengesellschaft können die Familienmitglieder die Stiftung nämlich nicht kündigen, keine Anteile auf Dritte übertragen und keine Stimm-, Kontroll- oder auch nur Informationsrechte nach Gesellschaftsrecht ausüben.

 

Rz. 49

Die Besonderheiten bei der zivil- und steuerrechtlichen Behandlung der Familienstiftungen ergeben sich daraus, dass der Grundsatz der Verselbstständigung der Stiftung in Einzelpunkten durch die Berücksichtigung der hinter der Stiftung stehenden "Familie" modifiziert wird.[44]

 

Rz. 50

Auf die zivilrechtlichen Besonderheiten sei hier nur kurz eingegangen:[45] Da die Aufsicht über die rechtsfähigen Stiftungen – und damit die konkrete Anwendung des Stiftungsprivatrechts – trotz der neuen bundeseinheitlichen Regelungen in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, sind stets die jeweiligen Regelungen der einzelnen Länder zu beachten, die insbesondere in ihren Rechtsfolgen teilweise erheblich differieren. Allgemein ist jedoch festzustellen, dass die staatliche Stiftungsaufsicht bei Familienstiftungen etwas zurücktritt oder sogar ganz entfällt.[46] So unterstehen gem. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 des BayStiftG nur solche Stiftungen der staatlichen Stiftungsaufsicht, die öffentlichen Zwecken dienen. In einigen Ländern beschränkt sich die Stiftungsaufsicht auf die korrekte Besetzung der Organe.[47] In Brandenburg soll die Aufsicht Gefährdungen des Gemeinwohls abwenden, in Hamburg und Hessen das öffentliche Interesse schützen.[48] In anderen Ländern gibt es keine Sonderregelungen für Familienstiftungen.[49]

[43] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 21.
[44] Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 23.
[45] Vgl. insoweit: Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 28 ff.
[46] Meyn/Gottschald, in MüHB Gesellschaftsrecht V, § 104 Rn. 6 ff.; ausführlich Richter/Gollan, in Hüttemann/Richter/Weitemeyer, Rz. 30.1 ff.; Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen (Hrs...

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