Rz. 161

Ansprüche eines Ehegatten auf Steuererstattung unterliegen regelmäßig dem Zugewinnausgleich. Dabei kommt es nicht darauf an, wann die Steuererklärung abgegeben wurde oder wann der Steuerbescheid erlassen wurde. Vielmehr kommt es darauf an, wann die Forderung entstanden ist. Auch bei Steuerschulden kommt es auf den Zeitpunkt der Entstehung an. Dabei ist zu beachten, dass Einkommens- und Kirchensteuern erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Einkünfte bezogen werden, entstehen (§§ 25, 36 Abs. 1, 51 a EStG)[1].

 

Beispiel

Wird der Scheidungsantrag also beispielsweise im Januar des Folgejahres zugestellt, sind Steuernachforderungen aus dem Vorjahr wertmindernd zu berücksichtigen – Steuerrückzahlungen sind dementsprechend werterhöhend zu berücksichtigen.

Wird der Scheidungsantrag dagegen am 31.12. zugestellt, ist ein Steuererstattungsanspruch für das entsprechende Jahr noch nicht entstanden und demgemäß auch nicht zu berücksichtigen.

 

Rz. 162

Problematisch können auch die vierteljährlichen Vorauszahlungen sein, die Selbstständige zu leisten haben. Fällig werden diese vierteljährlichen Vorauszahlungen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember – sie entstehen aber bereits mit Beginn des Kalendervierteljahres, in welchem die Vorauszahlungen fällig werden. Tritt also die Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens zwischen dem Beginn des Quartals und dem Fälligkeitszeitpunkt ein, ist der Betrag der Vorauszahlung trotzdem bereits wertmindernd zu berücksichtigen.

 

Rz. 163

Ähnliche Regelungen gelten für die Gewerbesteuer (§ 21 GewStG).

 

Rz. 164

Darüber hinaus ist auch an die Umsatzsteuer zu denken. Hier besteht eine besondere Manipulationsmöglichkeit darin, dass der umsatzsteuerpflichtige Ehegatten bei den normalerweise monatlich fällig werdenden Umsatzsteuervoranmeldungen nicht den möglichen vollständigen Vorsteuerabzug in Anspruch nimmt, sondern diesen quasi für die Jahresumsatzsteuererklärung aufspart. Hier können gegebenenfalls ganz erhebliche Ansprüche anwachsen, die im Rahmen der Ermittlung des Vermögens zu berücksichtigen sind.

 

Empfehlung:

Steuererstattungen oder -nachzahlungen werden im Rahmen einer Zugewinnausgleichsberechnung oft vergessen. Es bietet sich daher aus anwaltlicher Sicht an, die Mandanten auf diese Problematik gesondert hinzuweisen. Ein solches Hinweisschreiben könnte wie folgt aussehen:

Sehr geehrte(r) Frau/Herr...,

im Rahmen der Zugewinnausgleichsangelegenheit weise ich auf Folgendes hin:

Für die Berechnung des Zugewinnausgleichs sind auch alle steuerlichen Zahlungsverpflichtungen bzw. alle steuerlichen Erstattungsansprüche, die zu den jeweiligen Stichtagen entstanden sind, relevant. Es kommt dabei nicht darauf an, ob alle Steuererklärungen bereits abgegeben worden sind oder ob entsprechende Steuerbescheide bereits vorliegen.

Wann die steuerlichen Ansprüche oder Verpflichtungen entstehen, ist in den jeweiligen Steuergesetzen geregelt. Die Einkommensteuerzahlungsverpflichtungen entstehen nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungsjahres. Die Vorauszahlungsschuld im Bereich der Einkommensteuer entsteht in voller Höhe nach § 37 Abs. 1 EStG am 1. Tag des jeweiligen Quartals. Entsprechendes gilt für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag.

In einem etwaigen gerichtlichen Zugewinnausgleichsverfahren können nur diejenigen Positionen berücksichtigt werden, die substantiiert vorgetragen und im Zweifel auch nachgewiesen werden. Es besteht in der Regel keine Möglichkeit, Positionen wie z. B. Steuerzahlungsverpflichtungen nachträglich, also nach Durchführung des Zugewinnausgleichsverfahrens, zu berücksichtigen, sodass bei einer Nichtberücksichtigung endgültig ein entsprechender Schaden für Sie entstehen könnte. Es ist also dringend anzuraten, dass Sie ggf. mit Ihrem Steuerberater abklären, ob zu den relevanten Stichtagen (genaue Angabe der Stichtage) Steuerverpflichtungen bereits entstanden waren. Sollten wir von Ihnen keine konkrete Mitteilung über steuerliche Zahlungsverpflichtungen oder steuerliche Erstattungsansprüche erhalten, gehen wir davon aus, dass solche nicht bestehen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

[1] BGH, Beschluss v. 8.12.2021, XII ZB 402/20.

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