Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 29.06.1999; Aktenzeichen S 6D SB 1485/96)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.02.2001; Aktenzeichen B 4 RA 35/00 B)

BSG (Urteil vom 19.09.2000; Aktenzeichen B 9 SB 1/00 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Juni 1999 aufgehoben.

Die Klagen gegen den Bescheid vom 22. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1996 und den Bescheid vom 3. Mai 1999 werden abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Entziehung des Nachteilsausgleichs „aG” – außergewöhnliche Gehbehinderung –.

Die am 24. Juli 1931 geborene Klägerin beantragte erstmals 1982 Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz – SchwbG –. In den Bescheiden vom 22. Juli 1982, 7. November 1983 und 11. August 1986 stellte der Beklagte den Gesamt-Grad der Behinderung – Gesamt-GdB – der Klägerin mit 40, 50 und 40 fest. Am 21. Februar 1991 erlitt die Klägerin einen Arbeitsunfall und später in dessen Folge einen Oberschenkelhalsbruch. Sie beantragte daraufhin am 18. November 1991 die Neufeststellung des GdB unter Berücksichtigung der Unfallfolgen. Der Beklagte holte zunächst einen Befundbericht bei Dr. W. (Allgemeinmediziner, W.) vom 12. März 1992 ein, dem weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren. Die Unterlagen der G. und L. Berufsgenossenschaft – BG – konnte er nicht einsehen, da diese ihre Ermittlungen in dem Verfahren um die Gewährung von Verletztengeld noch nicht abgeschlossen hatte. Durch Bescheid vom 10. Juli 1992 stellte er alsdann unter dem Vorbehalt der Entscheidung der BG als Behinderungen fest:

  1. Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen, praktische Gebrauchsunfähigkeit des linken Beines nach Sprunggelenks- und Schenkelhalsbruch mit Sudeck-Syndrom – Einzel-GdB 80 –,
  2. Allergisches Kontaktekzem – Einzel-GdB 20 –,
  3. Labiler Bluthochdruck – Einzel-GdB 10 –.

Den Gesamt-GdB bewertete er mit 80 und stellte fest, dass durch die festgestellten Behinderungen die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche „G” (erhebliche Gehbehinderung), „B” (Erforderlichkeit einer ständigen Begleitung) und „aG” erfüllt seien. Er führte weiter in dem Bescheid aus, dass er bei der Erteilung eines endgültigen Bescheides nicht an den vorläufigen Bescheid gebunden sei.

Durch Bescheid vom 12. März 1993 setzte die BG den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – auf 50 v.H. und später durch Bescheid vom 11. Mai 1995 auf 40 v.H. ab dem 1. Juli 1995 fest. Zur Begründung führte sie in dem Herabsetzungsbescheid aus, dass die Überprüfung der groben Kraft des linken Beines gezeigt habe, dass nunmehr wieder ein für die Hüft- und Oberschenkelmuskulatur normaler Befund vorläge. Der Morbus Sudeck sei abgeklungen. Es sei eine Anpassung und Gewöhnung an die Unfallfolgen eingetreten. Der Beklagte erließ daraufhin einen weiteren Bescheid vom 22. Mai 1995, in dem er die Behinderungen der Klägerin wie folgt neu bezeichnete:

  1. Arbeitsunfallfolgen linkes Bein – Einzel-GdB 40 –,
  2. Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen – Einzel-GdB 30 –,
  3. Allergisches Kontaktekzem – Einzel-GdB 20 –,
  4. Labiler Bluthochdruck – Einzel-GdB 10 –.

Den Gesamt-GdB setzte er mit 60 fest und beließ es bei der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs „G”. Die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche „aG” und „B” lägen nicht mehr vor, so heißt es weiter in dem Bescheid. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der BG. Der Beklagte zog dann medizinische Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren der BG bei. Hierunter finden sich unter anderem ein Arztbericht des Dr. C. (Neurologe, H. M.) vom 21. September 1994, eine Stellungnahme des Prof. S. (Universitätsklinik G.) vom 13. März 1995 und ein Arztbericht des Dr. W. vom 4. April 1995. Dr. C. wies auf immer noch vorhandene Schmerzen der Klägerin hin. Diese erschwerten das Laufen. Prof. S. erwähnte, dass im Vergleich zu seinem Vorgutachten vom 8. Februar 1992 eine Besserung nur im Hinblick auf die Oberschenkelfraktur eingetreten sei. Dr. W. führte aus, dass die Klägerin sich nur mit Hilfe hochschachtiger orthopädischer Schuhe bewegen könne. Des weiteren finden sich in den Unterlagen der BG Bescheide vom 26. Juni 1996, mit denen diese die MdE ab 15. Juli 1992 auf 40 v.H. und 4. November 1992 auf 30 v.H. herabsetzte. Als verbliebene Unfallfolgen führte sie auf: Versteifung des linken oberen und unteren Sprunggelenkes mit mäßiger Spitzfußstellung, Muskelschwäche des Beines, Ödembildung bzw. Weichteilschwellung im Unterschenkel- und Sprunggelenksbereich mit daraus resultierender Gang- und Standbehinderung. Nach der Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des B. L. (Chirurg, K.) vom 26. Juli 1996 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1996 zurück.

Auf ihre Klage vor dem Sozialgericht in...

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