Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Klagebefugnis gegen aufsichtsrechtliche Beanstandung der vereinbarungsersetzenden Entscheidung eines Landesschiedsamts durch das Bundesversicherungsamt. Beanstandung des Bundesversicherungsamtes ist nicht durch § 71 Abs 4 SGB 5 gedeckt. Entscheidungen der Landesschiedsämter sind Aufsichtsbefugnissen des Bundesversicherungsamtes entzogen. aufsichtsrechtliches Kompetenzgefüge entspricht der föderalen Kompetenzaufteilung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Klage einer Kassenärztlichen Vereinigung als Partnerin eines Honorarverteilungsvertrages gegen eine aufsichtsrechtliche Beanstandung der vereinbarungsersetzenden Entscheidung eines Landesschiedsamts durch das Bundesversicherungsamt ist in entsprechender Anwendung von § 54 Abs 3 SGG als Aufsichtsklage iS eines Unterfalls der Anfechtungsklage statthaft. Im Rahmen der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Anfechtungsklage (§ 89 Abs 5 S 6 SGB 5) ist die Durchführung eines Vorverfahrens entbehrlich.

2. Eine solche Beanstandung ist nicht durch § 71 Abs 4 SGB 5 gedeckt, denn es handelt sich bei dem beanstandeten Schiedsspruch nicht um eine "Vereinbarung über die Vergütung" iS dieser Vorschrift, sondern um eine "Entscheidung eines Schiedsamtes über die Vergütung" nach § 89 Abs 5 S 4 SGB 5.

3. Nach § 89 Abs 5 S 1 SGB 5 führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder oder die von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmten Behörden die Aufsicht über die Landesschiedsämter, die Entscheidungen der Landesschiedsämter sind somit den Aufsichtsbefugnissen des Bundesversicherungsamts entzogen. Die so genannte zweigleisige Rechtsaufsicht im Bereich der Ersatzkassen für - regionale - Vergütungsvereinbarungen (s dazu in einem obiter dictum BSG vom 17.11.1999 - B 6 KA 10/99 R = SozR 3-2500 § 71 Nr 1) besteht daher nicht gegenüber Entscheidungen der Landesschiedsämter.

4. Dieses gesetzlich vorgegebene aufsichtsrechtliche Kompetenzgefüge entspricht der föderalen Kompetenzaufteilung bezüglich der Ausführung von Bundesgesetzen nach Art 83, 86 S 1 GG; es kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass auf dem Umweg der Beanstandung gegenüber einem aufsichtsunterworfenen Versicherungsträger der Spruch eines einer anderen Aufsichtsbehörde unterworfenen Schiedsamtes beanstandet wird. Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob das Bundesversicherungsamt als rechtsaufsichtsführende Behörde ihren aufsichtsunterworfenen Krankenkassen im Rahmen der allgemeinen Rechtsaufsicht eine Weisung dahingehend erteilen kann, Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch den Landesschiedsamtes einzulegen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.08.2011; Aktenzeichen B 6 KA 32/10 R)

 

Tenor

Der Bescheid vom 16. Juni 2009 in der Gestalt der Erklärung vom 9. Juni 2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen

Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt. 

 

Tatbestand

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides der Beklagten vom 16. Juni 2009.

Die Beklagte ist Aufsichtsbehörde der bundesunmittelbaren - zu 7) und 9) bis 14) zum Verfahren beigeladenen - Krankenkassen gemäß § 90 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV).

Die Beigeladenen zu 7) und 9) bis 14), letztere vertreten durch den Beigeladenen zu 8) als deren Prozessstandschafter, und die klagende Kassenärztliche Vereinigung sowie die zu 2) bis 6) beigeladenen Landesverbände der Krankenkassen in Hessen regeln gemäß § 82 Abs. 2 i. V. m. § 83 SGB V die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung in Hessen teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen nach Maßgabe näherer gesetzlicher Regelungen (u. a. §§ 87a bis 87c SGB V). Für das Jahr 2009 rief die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2008 das zuständige Landesschiedsamt (Beigeladener zu 1)) zur Herbeiführung einer Einigung zwischen den Vertragsparteien an.

Mit Schiedsspruch vom 30. Oktober 2008 setzte der Beigeladene zu 1) den Honorarvertrag für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen für das Jahr 2009 fest. Hierdurch erhielt der Honorarvertrag für das Jahr 2009 u. a. folgende Regelungen:

Abschnitt I

“9. Einzelleistungen

Die vorstehenden Regelungen gelten nicht für die unter Nr. 9.1 aufgeführten Leistungen, die mit Ausnahme der Ziffer 9.1.8 (siehe dort) zum festgelegten Einzelleistungspunktwert in Höhe von 0,035001 € vergütet werden.

(…)

9.1.8 Leistungen des Kapitels 31 EBM, sowie GOP 13421 bis 13431, sowie 04514, 04515, 04518 und 04520 hiervon abweichend zu einem Einzelleistungspunktwert von 0,04071 € (= festgelegter Einzelleistungspunktwert von 0,035001 € zuzüglich Zuschlag in Höhe von 0.005709 €).„

“Anlage 2 zum Honorarvertrag 2009

Gemäß Teil G des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 werden folgende Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87 b Abs. 3 Satz 5 SGB V vereinbart:

1. (…)

2. Die Bildung der Rückstellungen und ihre Auflösung bzw. Rückfü...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge