Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht von Lehrbeauftragten

 

Leitsatz (amtlich)

Lehrbeauftragte einer hessischen Universität sind auch dann versicherungspflichtig in der Kranken- und Angestelltenversicherung, wenn sie nur einen zeitlich begrenzten Lehrauftrag erhalten haben.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 6; Hess. Universitätsgesetz vom 12.5.1970 § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.07.1975)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juli 1975 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht in der Kranken- und Angestelltenversicherung der 1943 geborenen und jetzt verheirateten Beigeladenen zu 2) streitig, die Lehrbeauftragte in der Zeit vom 1. April 1970 bis 30. November 1971 an der I. Universität in F. war.

Nach Erteilung der Lehrbefähigung für Klavier mit der Befugnis, sich als staatlich geprüfte Privatmusiklehrerin für Klavier zu bezeichnen, studierte die Beigeladene zu 2) von April 1966 bis März 1969 an der Staatliche Hochschule für Musik in F. und bestand im Mai 1969 die künstlerische Reifeprüfung im Hauptfach Klavier. Von April 1965 bis 31. März 1970 war sie an der Jugendmusikschule F. als nebenamtliche Lehrkraft für die Fächer „Grundkurs” und „Klavier” tätig. Der ihr erteilte zwölfstündige Lehrauftrag für Klavier am Institut für Musikerziehung der Abteilung für Erziehungswissenschaften für das Sommersemester 1970 wurde mehrfach, so im Oktober 1970 für das Wintersemester 1970/71 und im März 1970 für das Sommersemester 1971 verlängert. Einer weiteren Tätigkeit ging die Beigeladene zu 2) während dieser Zeit nicht nach. Von der Vergütung – als damals einzigen Einkommen – im Betrag von 793,80 DM monatlich (mit Ausnahme von Juli 1970 = 680,40 DM) behielt der Beklagte Lohnsteuer, jedoch keine Sozialversicherungsbeiträge, ein.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 1971 und Ergänzungsbescheid vom 23. Dezember 1971 forderte die Beklagte vom Kläger für die Beigeladene zu 2) die Nachentrichtung von Beiträgen in Höhe von 3.551,25 DM zur Kranken- und Angestelltenversicherung für die Zeit vom 1. April 1970 bis 30. November 1971.

Dem Widerspruch half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 1972 nicht ab.

Hiergegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben.

Daraufhin hob die Beklagte den Bescheid vom 27. Oktober 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1972 auf, soweit er nicht die Beigeladene zu 2) betraf.

Durch Urteil vom 29. Juli 1975 hat das SG die Klage abgewiesen. Für die Beigeladene zu 2) habe in der Zeit vom 1. April 1970 bis 30. November 1971 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und damit Beitragspflicht in der Kranken- und Angestelltenversicherung bestanden. Während des fraglichen Zeitraumes sei diese in den Lehrbetrieb der Universität eingegliedert gewesen und habe „zur Ergänzung von Lehre und Forschung” die im Vorlesungsverzeichnis angekündigten Veranstaltungen durchgeführt, für die der Kläger die Räumlichkeiten gestellt und die Beigeladene bezahlt habe. Die Weisungsfreiheit und die Verpflichtung zur freien Gestaltung des Unterrichtes hätten die Beigeladene zu 2) nicht zu einer Selbständigen gemacht. Wenn die in Forschung und Lehre tätigen Hochschullehrer ungeachtet ihrer Selbständigkeit als Beamte und Angestellte beschäftigt seien, so könne die gleiche Selbständigkeit den in der Universitätshierarchie arbeitenden Lehrbeauftragten nicht zu einem freiberuflich Tätigen machen. Für diese Auffassung spreche, dass für die Beigeladene zu 2) Lohnsteuer abgeführt sei. Unerheblich sei dagegen, ob letztere Mitglied oder nur Angehörige der Universität gewesen sei. Gesetzliche Befreiungstatbestände – wie z.B. für die Beamten – seien nicht gegeben.

Gegen das dem Beklagten durch Empfangsbekenntnis am 13. August 1975 zugestellte Urteil hat dieser am 10. September 1975 bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) Berufung eingelegt. Die Beigeladene zu 2) sei ungeachtet des ihr erteilten zwölfstündigen Lehrauftrages nicht versicherungspflichtig gewesen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Erlass des Hessischen Kulturministers vom 19. Oktober 1965 – H II 4-422/900-240, nach dem Lehraufträge zur Ergänzung von Lehre und Forschung erteilt würden. Der Lehrbeauftragte habe dabei den Unterricht aufgrund selbständiger wissenschaftlicher Tätigkeit zu erarbeiten und zu gestalten (Ziff. 1). Nach Ziff. 2 Abs. 5 a.a.O. könnten Lehraufträge auch ohne Vergütung erteilt werden. Im Falle der Erkrankung entfalle der Anspruch auf Vergütung, während bei teilweiser Ausführung die Vergütung nur anteilig zu zahlen sei. Nach Ziff. 5 a.a.O. seien die Lehrbeauftragten nicht angestelltenversicherungspflichtig, da sie in keinem Angestelltenverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes ständen. Als freie Wissenschaftler seien sie nicht an Weisung...

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