Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion einer beantragten, nicht notwendigen ärztlichen Leistung, die der Versicherte für erforderlich halten durfte

 

Orientierungssatz

Die krankenversicherungsrechtliche Genehmigungsfiktion tritt nach § 13 Abs. 3a SGB 5 bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch dann ein, wenn eine Leistung begehrt wird, die objektiv nicht notwendig ist, wenn der Versicherte subjektiv von der Erforderlichkeit der Leistung ausgehen durfte, weil die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt (BSG Urteil vom 11. 5. 2017, B 3 KR 30/15 R). Liposuktion der Oberschenkel und die Hautstraffung des Mons pubis stehen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Liegt u. a. die Befürwortung durch das Krankenhaus vor, so durfte der Versicherte die beantragte Leistung für erforderlich halten.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht eine Liposuktion vor Oberschenkelstraffung, eine Straffung des Mons pubis und der Brüste.

Nach durchgeführter Magenbypassoperation im Jahr 2006 reduzierte die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin ihr Gewicht um ca. 100 kg. In der Folge bildeten sich Fettschürzen im Bereich der Oberarme, des Bauches, der Hüfte/des Gesäßes, der Beine sowie eine Ptosis Mammae beidseits. Nach Übernahme der Kosten für eine Bauchstraffung sowie eine Narbenbruchoperation erhob die Klägerin nach Ablehnung der übrigen Straffungsoperationen am 28. Oktober 2008 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main und begehrte die Kostenübernahme für die operative Straffung der Arme, der Beine, der Brust und des Gesäßes. Mit Urteil vom 31. Mai 2011 wies das Sozialgericht die Klage ab (Aktenzeichen S 25 KR 635/08). Im Berufungsverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG, Aktenzeichen L 8 KR 222/11) schlossen die Beteiligten am 30. August 2012 folgenden Vergleich:

1. Die Beklagte gewährt der Klägerin eine operative Straffung der Oberarme und der Oberschenkel als Sachleistung.

2. Die Beklagte erklärt sich bereit, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Klägerin für beide Instanzen zur Hälfte zu erstatten.

Die Klägerin beantragte am 6. Februar 2014 unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des Markus Krankenhauses Frankfurt am Main vom 29. Januar 2014 eine Liposuktion im Bereich der Oberschenkel vor einer Oberschenkelstraffung, eine Straffung des Mons pubis und eine Bruststraffung beidseits.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass hinsichtlich der begehrten Liposuktion der Oberschenkel und der Straffung des Mons pubis eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nötig sei. Nach Vorlage der Stellungnahme erfolge umgehend eine Information. Die Brustraffung sei allerdings von dieser einzuholenden Stellungnahme nicht umfasst, da diese Gegenstand des Vergleiches gewesen sei. Zu Begutachtungsterminen am 18. und 24. Februar 2014 erschien die Klägerin nicht. Mit Schreiben vom 27. Februar 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie keine Entscheidung über die beantragte Kostenübernahme treffen könne. Auf die Mitwirkungspflichten nach § 62 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) wurde hingewiesen. Eine Begutachtung durch den MDK fand schließlich am 13. März 2014 statt. Nach ambulanter Untersuchung kam Frau Dr. med. C. zu dem Ergebnis, dass eine Liposuktion der Oberschenkel vor Straffung derselben sowie eine Straffung des Mons pubis mangels Funktionsstörungen medizinisch nicht notwendig seien.

Mit Bescheid vom 24. März 2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Liposuktion der Oberschenkel und die Straffung des Mons pubis ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. April 2014 Widerspruch und berief sich auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Auch legte sie ein weiteres Attest des Markus Krankenhauses vom 10. April 2014 vor. Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK ein. Frau Dr. med. D. kam am 2. Juni 2014 nach Aktenlage zu dem Ergebnis, dass die präoperative Liposuktion nicht generell zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen geeignet und die Liposuktion auch keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei.

Am 07. Mai 2014 hat die Klägerin Feststellungsklage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und sich auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a SGB V berufen. Die gesetzliche Fünfwochenfrist sei verstrichen. Eine schriftliche Mitteilung der Beklagten zu den Hinderungsgründen sei nicht erfolgt. Folge der Genehmigungsfiktion sei auch ein Sachleistungsanspruch.

Das Sozialgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 9. Februar 2016 bis zum Abschlus...

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