Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. haftungsbegründende Kausalität. Konsensempfehlungen. Zusatzkriterium der Konstellation B2. Prolaps an mehreren Bandscheiben. Auslegung. bisegmentaler Bandscheibenschaden. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule

 

Leitsatz (amtlich)

Das Zusatzkriterium der Konstellation B2 der Konsensempfehlungen "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" ist nicht schon beim Vorliegen eines bisegmentalen Bandscheibenschadens erfüllt. Mit "mehreren" Bandscheiben sind mindestens drei gemeint. Diese Auslegung ergibt sich schon aus der Systematik der in den Konsensempfehlungen definierten Fallkonstellationen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1949 geborene Kläger verrichtete während seines Berufslebens in Deutschland von September 1969 bis September 2003 verschiedene Tätigkeiten als Hilfsbauarbeiter, Produktionsmitarbeiter und Monteur im Fensterbau, als Bauschlosser im Fenster- und Heizungsbau und als Reparatur-Schlosser im Bereich Haustechnik; von 1992 an war er als Außendienstmonteur mit der Wartung und Reinigung von Lüftungsanlagen betraut und ab 1996 als Außendienst-Monteur im Bereich Brandschutz mit der Wartung und Reparatur von Löschwasseranlagen beschäftigt. Nach seinen eigenen Angaben (Fragebogen der Beklagten vom 17.November 2003) traten bei ihm erstmals im Jahre 1972 Wirbelsäulenbeschwerden auf, und zwar Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein.

Nachdem die AOK Hessen bei der Beklagten im Oktober 2003 eine Berufskrankheit angezeigt und einen Erstattungsanspruch angemeldet hatte, ließ die Beklagte durch ihren Präventionsdienst im August 2004 eine Gefährdungsanalyse und Berechnung der Gesamtbelastung (Lebensdosis) BK 2108 durchführen. Nach diesen Feststellungen waren die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem sogenannten Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) mit 15,3 MNh nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 27. September 2004 und Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2004 lehnte die Beklagte nach Anhörung des Landesgewerbearztes die Anerkennung einer BK Nr. 2108 ab, da eine geeignete schädigende Einwirkung nicht bewiesen sei.

Mit seiner am 27. Dezember 2004 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 weiter verfolgt und u.a. den Entlassungsbericht der Ärzte der Klinik HS., NQ., der Deutschen Rentenversicherung Bund, vom 3. April 2007, einen Magnet-resonanztomogramm(MRT)-Befund der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 5. Oktober 2007, eine Liste der AOK über Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 1971 sowie einen MRT-Befund der Halswirbelsäule (HWS) vom 23. Dezember 2009 eingereicht. In dem MRT vom 5. Oktober 2007 wird das Vorliegen eines Bandscheibenprolaps L2/L3 aktuell subligamentär paramedian rechts nach kranial sequestriert mit konsekutiver Kompression der L3-Wurzel rechts am Abgang beschrieben („deutliche Befundprogredienz zur Voruntersuchung 2006“) sowie eine diskrete Zunahme auch des medianen Bandscheibenvorfalls L4/L5, jedoch keine Nervenwurzelkompression, eine Bandscheibenprotrusion L5/S1, rechts betont, mit geringer Pelottierung der S1-Wurzel rechts am Abgang und eine Spondylarthrose.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2008 aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum MDD das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 anerkannt; nach der letzten Stellungnahme ihres Präventionsdienstes liege die Gesamtbelastungsdosis mit 20,3 über dem Wert von 12,5 MNh.

Auf Wunsch des Klägers hat die Beklagte während des Klageverfahrens hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. QQ vom 22. Januar 2009 sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme zu diesem Gutachten von dem Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. WW. vom 30. März 2009 eingeholt und zu den Gerichtsakten eingereicht. Dr. QQ hat bei dem Kläger ein lumbales Wurzelsyndrom mit sensibler Nervenwurzelreizung rechts bei polysegmentalem Bandscheibenvorfall L2/L3 und L4/L5 diagnostiziert. Er hat das Vorliegen einer Begleitspondylose bejaht und einen Kausalzusammenhang der von ihm festgestellten Erkrankungen der LWS mit der beruflichen Wirbelsäulenbelastung angenommen. Dr. WW. hat ausgeführt, er könne Dr. QQ nicht folgen, die vorliegende Erkrankung ließe sich nicht schlüssig mit einer von außen einwirkenden Belastung begründen. Nach dem MRT Befund vom 5. Oktober 2007 sei das Bewegungssegme...

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